"Femdom, Feminismus & Polanski"
Meine Rezension des Films ist erschienen in den SCHLAGZEILEN Nr. 135, Seite 5-7 |
Nach der ausführlichen Besprechung von Polanskis "Venus im
Pelz" in den SCHLAGZEILEN 134 durch Lydia Benecke hätte ich doch hier
und da etwas zu ergänzen, wenn ich auch die Sichtweise meiner
Vorrednerin weitgehend teile und die Hinweise auf den Autor
Sacher-Masoch und die Psychologie seiner Zeit sehr hilfreich finde. Mir
sei erlaubt, dass ich noch auf einige brisante Punkte des Films
hinweise, und ich werde versuchen, die Motivation der Leser nicht zu
schmälern, sich den Film, wenn er ab Ende März als Kauf-Movie erhältlich
sein wird, zu besorgen, im Gegenteil. Meine subjektive Ansicht: Es
lohnt sich.
Als wir ins Kino gingen, war ich sehr unsicher, was
wir davon zu erwarten haben. Große Prominente, vor allem solche, denen
die Moralapostel im Nacken sitzen, lassen nicht gern durchblicken,
welche Stellung sie bezüglich BDSM einnehmen. Wir können bei ihnen
allenfalls zwischen den Zeilen lesen -- auf eigenes Risiko. Ich denke da
an "Was?" (1972), Polanskis Komödie um die Abenteuer einer leicht
bekleideten jungen Frau, gespielt von Sydne Rome, die in eine Villa an
der Riviera gerät und dort in die Extravaganzen der eher merkwürdigen
Gäste des alten Hausherren hineintaumelt. Die Villa ist voll mit
teuersten Kunstwerken, ein Gemälde von Bacon über dem Bett des Hausherrn
wird von der Heldin unwissentlich-treffend als "Schinken" bezeichnet,
und einmal wird sie in eine "Raubkatzendressur" einbezogen; die Heldin
mit langer Peitsche drischt auf den von Mastroianni dargestellten
Petplayer im Tigerfell ein, der sich aufrichtet und durch das bezähnte
Maul schaut: "Sehen wir aus, als würden wir spielen?" In einer anderen
Szene trägt derselbe das Kostüm Napoleons und demütigt und peitscht
wiederum die Heldin.
Nach meiner anfänglichen Skepsis, aber auch
der Zuversicht, dass jemand, der "Was?" gedreht hat, nicht völlig
ahnungslos in Sachen BDSM sein kann, harrte ich also mit meinem Liebsten
im Kinositz des kuscheligen kleinen Volksdorfer Kinos "Koralle" der
Dinge, die da kommen sollten. Ich sage Skepsis, denn prompt wurden zwei
Klischees bedient: Da hatte die Darstellerin (Emmanuelle Seigner) ein
Hundehalsband um, obwohl sie sich für die Rolle einer dominanten Frau
bewarb, und sie benutzte die Bezeichnung "Sado-Maso", das Losungswort
der Ahnungslosen. Es dauerte einige Minuten, bis mir klar wurde, dass
diese Vanda sich bewusst verstellt hat. Es war eigentlich erst der
Moment, als sie im Kleid von 1870 auf der Bühne stand und ihre scheinbar
alberne Sprechprobe umschlug in eine aus dem Bauch kommende und höchst
glaubhafte Dominanz, als die Maske fiel, die darin bestanden hatte, dass
eine nassgeregnete, verzweifelte Casting-Kandidatin scheinbar dem
Regisseur Tomas die Zeit stahl. In diesem Moment war unübersehbar, dass
Emmanuelle Seigner auf zwei Ebenen spielt. Die verzweifelte Bewerberin,
die alles Mögliche anbot, das sie tun könne, und ihn beschwor, sie
anzuhören, löst sich plötzlich in Luft auf und macht Platz für die große
Schauspielkunst einer Frau, die die Wanda des Sacher-Masoch so zwingend
zum Leben erweckt, dass Tomas sich der Illusion nicht mehr entziehen
kann. Das ist die Wanda, die er erträumte und die er besetzen wollte,
die er aber unter den bisherigen Kandidatinnen nicht finden konnte.
Wahrscheinlich hat er die ganze Zeit am falschen Platz gesucht. Das ist
die Wanda (mit W), die einen Mann zu Sätzen hinreißen kann wie: "Was
immer Sie von mir verlangen, ich werde es tun."
Stück für Stück
arbeitet die Darstellerin -- wer führt denn jetzt Regie?? -- das Script
mit ihm durch, ein Dokument, das sie aus ihrer umfangreichen Reisetasche
hervorzaubert und das auf dunklen Wegen zu ihr gekommen sein muss; ein
Moment des kritischen Nachfragens, woher sie das hat, dann geht Tomas
wieder in den Wogen seiner Leidenschaft unter, die von Vanda (mit V) mit
großer Geschicklichkeit getriggert wird. Man nehme nur einmal die
genüssliche Langsamkeit, mit der das Anziehen der hohen Stiefel
zelebriert wird. Weniger ist mehr, dieser Film schenkt seine sinnlichen
Momente nur äußerst sparsam her und nur dem, der genau hinsehen kann.
Um
die eigentliche Bedeutung dieses Films zu würdigen, werde ich aber doch
ein wenig spoilen müssen, denn viel zu selten lese ich, dass besprochen
wird, was ich für den eigentlichen Kern halte. Es wäre ja alles so
schön, wenn wir in der BDSM-Szene dort angekommen wären, wo Respekt und
eine demokratische Haltung das Verhältnis aller regeln würden. Ich
fürchte aber, dass wir uns in einer Phase von Rückschritt befinden und
dass dieser Film von diesem Rückschritt handelt.
Schauen wir noch einmal auf das Buch.
Ich
glaube, dass ich bei einem 144 Jahre alten Buch schwerlich einen
Spoiler schaffen kann, denn wer die Romanvorlage liest -- eigentlich
mehr eine längere Novelle --, dürfte über eine Wendung der Handlung
stolpern, die uns heutigen Freunden der FemDom Rätsel aufgeben kann.
Denn ich frage mich und googele vergeblich, ob das Ende der Geschichte
der k.u.k. Zensur anzurechnen ist oder der Überzeugung des Herrn
Sacher-Masoch entsprach. Wanda lässt den Helden Severin/Gregor von ihrem
Liebhaber hart auspeitschen und lacht über seine Qualen. In einem
letzten Brief verrät sie seine Absicht: Das sei zum Abgewöhnen gewesen,
um ihn zu kurieren, damit er von seiner unpassenden Neigung für sie
ablasse. Denn wirkliche Leidenschaft für ihn, Liebe, hätte sie wohl für
ihn empfinden können, wenn er ein wahrer Mann wäre, ein aufrechter,
stolzer Mann. So aber hat sie sich an einen anderen gebunden, der diese
Eigenschaften besitzt.
Der Held akzeptiert nach langem Leiden
denn auch diese "Kur" und sieht ein, dass er eine Zeitlang einer
"kranken" Neigung gefrönt hat.
Diesen gedanklichen Schlüssel kann
man nicht ignorieren, wenn man dem Film von Polanski gerecht werden
möchte. Vielleicht gelingt mir das Kunststück, den Abgleich mit der
literarischen Vorlage fortzuführen, ohne das Ende des Films zu verraten.
Und
bis zu dieser Wendung lockt Vanda den Regisseur Tomas immer tiefer in
die Unterwerfung vor der dominanten Frau hinein. Der gigantische
Strickschal tritt an die Stelle des Pelzes, nach dem Kleid aus dem 19.
Jh. funktioniert der moderne Fetisch aus Korsett, Strapsen und Stiefeln
genau so, wie Vanda es braucht, um Tomas in einen Rollentausch zu
locken, den sie mit dem kirschroten Lippenstift verdeutlicht. Wir
verstehen: Diesen Rollentausch hat sie eingeleitet, um ihn zu dem
fatalen Satz zu bewegen, mit dem alles steht und fällt, mit dem er sich
entlarvt, wie Vanda dem Script entnommen hat, der fatale Satz, den Vanda
seiner Meinung nach zu sagen hat: Sie soll den Partner anflehen, den
Spieß umzudrehen und sie zu unterwerfen!
Ich weiß nicht mehr
genau, wie es im Film formuliert war; bei Sacher-Masoch heißt es im
Abschiedsbrief von Wanda an Severin: "... darf ich Ihnen noch einmal
gestehen, daß ich Sie sehr geliebt habe, Sie selbst aber haben mein
Gefühl erstickt durch Ihre phantastische Hingebung, durch Ihre
wahnsinnige Leidenschaft."
Tomas ist also in seinem Manuskript
noch einen gewaltigen Schritt weitergegangen als Sacher-Masoch. Bei
diesem findet man an keiner Stelle einen Wunsch der Heldin, unterworfen
zu werden. Sie will einen starken Mann an ihrer Seite, keinen sich
windenden Wurm, aber auch keinen Tyrannen. Wenn Wanda am Anfang die
antike Sinnlichkeit der alten Griechen zu ihrem Ideal erklärt und der
christlichen Moral eine Absage erteilt: "Ich liebe jeden, der mir
gefällt", dann ist das Libertinage, nicht Unterwerfung. Tomas hingegen,
der offenbar den Satz "In der Liebe gibt es kein Nebeneinander" rot
angestrichen hat, macht sie zur Widerspenstigen, die ihre Zähmung
herbeisehnt, um sich endlich hingebungsvoll an die Brust des Mannes
schmiegen zu können, seiner Überlegenheit zu huldigen und ihm das Ruder
zu überlassen. Wenn es sich noch um eine Vorlage zum Switchen handeln
würde! Aber die Switcherin gibt ja ihre Freiheit nicht auf, sie kann,
wann immer sie es will, in die dominante Rolle zurück, sie wechselt frei
zwischen beiden. Was aber Tomas vorhat, ist die Verkündigung der
Schwachheit des Weibes, als wären 144 Jahre nur ein Tag gewesen und als
wollte er mit diesem Federstrich zurück in die Zustände im Reich von
Kaiser Franz-Josef.
Das war der Zweck von Vandas Manöver. Darum
ist sie nach dem Ende des Castings ins Theater gepoltert, darum hat sie
Tomas in Sicherheit gewiegt mit ihrem Dummstellen. Es ist ihr von Anfang
an darum gegangen, ihrer Empörung über den reaktionären Macho, den sie
in ihm sieht, Ausdruck zu verleihen, so wirkungsvoll und direkt wie nur
möglich. Die Vanda, die da jetzt auf der Bühne steht, ist eine Frau, die
alle Nuancen von FemDom und Feminismus reflektiert hat, das kann ich
doch schon sagen, auch ohne den Schluss zu verraten.
Und während
ich die letzten Minuten des Films gesehen habe, kam mir der Verdacht,
dass Roman Polanski und Emmanuelle Seigner sehr genau wissen, was sie
tun. Möglich, dass es Emanuelle war, die ihrem Mann ermöglicht hat, eine
neue Rolle mit der Partnerin zu leben, nämlich die Ambivalenz von BDSM-
und Alltagsrolle, die für uns der gedankliche Kern eines aufgeklärten
BDSM ist. Ob sie ihm eine Analyse seines eigenen Machismo geliefert hat
und ihm den Weg in eine gesunde Form von Dominanz ermöglicht? Wir werden
es nie erfahren, aber sein Weg vom Liebhaber allzu junger Mädels zu
einer erfüllten Beziehung auf Augenhöhe scheint mir dafür zu sprechen.
In einem ausführlichen Interview, das kürzlich auf arte gezeigt wurde,
ließ er uns ein wenig in sein Privatleben blicken, und das erlaubt es
mir, diese Vermutung zu hegen.
Polanski und Seigner müssen BDSM
von innen heraus kennen, um so zielsicher die Klischees zu entlarven und
um eine Gefahr zu sehen, die nicht einmal von der Mehrheit der BDSMer
gesehen wird, sondern allenfalls von einer Anzahl der dominanten Frauen:
Verkleidet als devot-masochistischer Severin, kommen diese Art Männer
angepirscht, um sich mit einer neuen Methode der dominanten Frauen zu
bemächtigen und sie doch noch in das zurückzuzwingen, was sie für echt
weiblich halten, um ein wenig an ihrer Dominanz zu naschen, um sie nach
dem eigenen Zeitplan in einer bequemen und nicht herausfordernden Weise
konsumieren zu können und dann wieder ins Regal zurückzustellen. Und wie
vor Tausenden von Jahren lautet der Schlachtruf des Mannes: "Unterwirf
dich, damit ich dich lieben kann!"
Vor diesem Hintergrund ist
meine Schlussfolgerung: Auch bei uns, in der BDSM-Szene, ist das
Patriarchat wieder auf dem Vormarsch, vorangetrieben durch den Zustrom
von Männern, die sich zwar mit einem Label wie "devot" und/oder
"masochistisch" dekorieren, die aber sehr genaue Vorstellungen von ihrer
optisch perfekten und formbaren, geradezu gehorsamen Domina haben und
die sofort pampig werden, wenn Madame nicht spurt. Was dominante Frauen
sich unter Dominanz vorstellen, ist weitaus näher an feministischen
Ideen als am Abziehbild der Hochglanz-Domina. Denn für uns gehört
Freiheit und Selbstbestimmung dazu, es gehört dazu, selber nicht getoppt
zu werden, sondern Macht über den Mann auszuüben, den wir lieben. Und
ganz bestimmt sehnen wir uns nicht danach, endgültig niedergezwungen zu
werden.
So gesehen -- und davon, scheint mir, handelt dieser Film
-- ist der Machtkampf zwischen Mann und Frau noch lange nicht
entschieden.
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