„Ich diene hier im Haus, manchmal auch bei Ihnen.“
„Ja, ich weiß, aber ich meine, früher… in Sukent…“
Sie tat so, als dächte sie nach, aber sie wußte, wer er war. Ihr Skalpell hatte geholfen, sein Leben zu retten, als er sich das Kurzschwert in den Bauch gebohrt hatte. Sie hatte seine Hand gehalten, als er außer Gefahr, aber noch im Operationssaal war.
„Jetzt habe ich’s. Du hast damals versucht, ein Männerreich zu errichten.“
„Ja, Madame.“ Würden jetzt noch mehr Demütigungen kommen?
„Und du hast es mit so viel Blut bezahlt. Weißt du, daß ich auch im Operationsteam war? Du hast mich natürlich nicht gesehen — unter der Maske. Mein armer Junge, wie hast du gelitten.“
Sie drückte seinen Kopf gegen ihre Schulter.
„Und du liebst Josef?“
„Ja, Madame, von ganzem Herzen.“
„Josef ist asexuell.“
„Ich weiß, Madame.“
„Wie kommst du damit klar?“
„Er läßt mir Freiheiten.“
Das alles war ihr natürlich nicht neu. Sie hatte ihn schon oft durchs Haus laufen sehen und mit Josef über ihn gesprochen. Aber sie wollte es von ihm hören. Berufskrankheit der Therapeuten.
Und sie genoß es auch, ihn auszufragen. Es war auf so eine elegante Art erniedrigend.
„Hast du jemals mit einer Frau gefickt?“
„Nein, Madame.“
„Und wie fühlt es sich an, jetzt hier zu sein?“
„Ich weiß nicht... ich verdränge das. Ich denke überhaupt nicht darüber nach. Das hilft mir, die Angst zu besiegen.“
„Du bist überaus ehrlich.“
„Ich habe dem Tod ins Auge gesehen, das macht ehrlich. Lügen sind Zeitverschwendung. Und wir haben nicht alle Zeit der Welt.“
„Auch jetzt nicht, wo wir länger leben?“
„Auch so ist das Leben kurz.“
„Ißt du ordentlich?“ fragte sie.
Die Frage überraschte ihn so, daß er zu husten anfing.
„Dachte ich’s mir. Du ißt zu wenig. Geh runter in die Küche und bitte die Wachen um ein Nachtmahl für zwei.“
Er entfleuchte, froh über den Aufschub.
Dennoch wäre ihm nicht in den Sinn gekommen, Josef ungehorsam zu sein.
Er kam mit einem Körbchen Sandwiches zu Heathea zurück.
„Was hast du heute gegessen?“ fragte sie.
Es war furchtbar wenig gewesen.
„Warum so wenig?“
„Das habe ich mir angewöhnt, als ich verletzt war.“
Er hatte längere Zeit keine feste Nahrung zu sich nehmen können.
Sie befahl ihm, sich direkt vor sie zu setzen. „Zeig mir, was in dem Korb ist.“
Es waren Gurken-Sandwiches mit und ohne Creme. Die ohne wollte er selber essen.
"Nein, die sind für mich. Ich bin dick, du bist dünn. Du kriegst die mit Creme.“
Er protestierte: „Mir wird schlecht davon.“
„Warum machst du dann welche? Willst du, daß mir schlecht wird?“
„Madame, wollen Sie mich zur Verzweiflung treiben?“
„Wieviele verträgst du?“
„Eins.“
„Okay. Ich nehme eine Scheibe von denen mit Creme und tausche gegen eine ohne. Dann haben wir zwei Sandwiches mit wenig Creme. Einverstanden? Gib mir deine Hände.“
Was hatte sie vor??
Sie fesselte ihm die Hände, zog sie hinter seinen Nacken und schlang das Seil um seine Arme und seine Brust und verhinderte so, daß er sich wehren konnte. Sie schnitt ein Sandwich in kleine Stücke. Dann legte sie einen Arm um seine Schulter und hielt mit der einen Hand seine Handgelenke, und mit der anderen steckte sie ihm Bissen in den Mund. Er saß an sie gelehnt und aß. Sie ließ ihm viel Zeit. Zwischendurch bekam er ein paar Schlucke Tee.