Montag, 25. Februar 2019

Homsarecs 4: Dox und der Zar (Arbeitstitel)




Dox ist mein Name, und jeder beginnt zu grinsen, wenn er mich sieht und meinen Namen hört. Denn alle Namen mit einem X am Ende sind weiblich, es sind Namen der Amazonen. Sie zeichnen die Soldatinnen und Polizistinnen meiner Heimatstadt Sukent aus. »Ach, so, ein Amazonerich«, kam es dann spöttisch, »bist du trans?« — »Aber du bist doch ein Unsriger?«
Ja, ich bin ein Homsarec. Ich habe scharfe Zähne, einen heißen Körper, ich atme Somnambulin aus, ich döse höchstens 5 Stunden pro Nacht mit halboffenen Augen, komme bei Verletzungen sogleich in den Kriegerrausch und falle nicht in Ohnmacht.
Die Frage, ob ich transsexuell bin, kommt sehr oft. Ich wusste von Anfang an, dass sich das nicht wird vermeiden lassen, wenn ich den Namen Dox annehme, aber eigentlich heiße ich ja Dené von den Tigern.

Wir schrieben das Jahr 184 .
An einem nebligen, kalten Morgen machte ich mich auf zum ersten Treffen der jungen Rekruten. Ich war damals 16 Jahre alt, hatte lange, bernsteinfarbene Haare — die habe ich immer noch — und olivgrüne Augen. Es war Viertel vor Fünf, als ich aus der Calle Carbon, der Wohnung meiner Mutter, aufbrach, und nach einem kurzen Lauf erreichte ich das Arsenal, passierte das Tor zwischen Mars und Neptun, den Statuen, die militärische Seemacht symbolisieren, und folgte den Hinweisen zum Saal. Hier empfingen uns Offiziere in der Staatstracht der Kampftruppe, im blauschwarzen Kilt mit feinem Schottenkaro in Gold, Türkis und Weiß, zu Stiefeln und einem kurzen Jackett mit dem türkisfarbenen Keder der Sukenter Staatsdiener.
Jeder, der hereinkam, nahm auf einer der Bänke Platz, nachdem er dem Saaldiener mit der Klemmtafel seinen Namen gesagt hatte, damit er mit einer Liste der Anmeldungen abgleichen konnte. Wie man durch die offene Tür sehen konnte, strebten die weiblichen Rekruten zu einer anderen Saaltür, die von Amazonen flankiert war.
Als es vom Turm Fünf schlug -- bei uns eine recht normale Zeit, um eine Veranstaltung zu beginnen --, schlossen die Saaldiener die Türen. Ein dekorierter Offizier trat vor. »Guten Morgen, junge Brüder, ich heiße euch zur Kriegerschulung willkommen. Wir veranstalten die theoretischen Lehrstunden hier in den Hörsälen des Arsenals. Das körperliche Training und die Schulung an den Waffen finden auf der Insel ‘Giardini dei Forti’ statt...«

Was weiter angesagt wurde, konnte ich nur in Bruchstücken hören. Neben mir rutschten unruhige Zeitgenossen auf den Bänken herum, Hyperaktive, die ich schon vom Ausweichen kannte. Die Stadt ist ja nicht groß, man läuft sich dauernd über den Weg, und diese Prachtexemplare unserer Spezies profilierten sich durch verbale Großartigkeit. Eigentlich sind sie nichts Ungewöhnliches, sondern ich bin es, weil ich so gar keinen Antrieb zeige, mich in die Wettbewerbe einzureihen, und dann bekam ich schon hier und da zu hören, ich sollte doch vielleicht der Spitzenklöppelgilde beitreten. Ich habe gelernt, das gelassen zu nehmen.
Nachdem die jungen Protze ihre besten Kontakte für Banketts Alten Stils ausgetauscht hatten, wurden wir gebeten, uns in die Klassenräume zu begeben, trafen bei dieser Gelegenheit auf den Strom der Mädchen, was nicht ohne gegenseitige Kontakte ablief, ob erwünscht oder nicht. Mich schubste einer der Kameraden in den Strom der Mädchen, so dass ich ungewollt eine der jungen Amazonen anrempelte, entschuldigte mich hastig und schloss mich wieder den übermütigen jungen Böcken an.
Als wir unsere Plätze eingenommen hatten, sah ich mich mit einem Schreibtischchen mit Klappfach ausgerüstet. Vor diesem Tischchen stand ein nicht sehr hoher, fest gepolsterter Hocker, der ein bequemes Sitzen im Schneidersitz ebenso ermöglichte, wie man auch die Füße auf den Boden setzen konnte, das stand uns frei. Ich nahm mein Wintertuch ab, legte es zusammen und ins Fach, dazu den Schultersack, einen Beutel aus festem Segeltuch mit Tragriemen, in dem ich mein Schreibzeug und meine Haarbürste aufbewahrte. Den Füllhalter und das Schreibheft legte ich auf den Tisch und fühlte mich plötzlich warm und sanft von hinten umfasst.
»Äh... was wird das jetzt?« murmelte ich und drehte mich um. Es war einer der Jungen, die sich schon beim Einführungsvortrag so unruhig aufgeführt hatten. Und nun tat er sein Möglichstes, um mich zu umgarnen.
»Gehst du bitte auf deinen Platz?« mahnte der Ausbilder, ein älterer Cro , der schon deshalb, weil er Cro war, nicht viel Autorität entfalten würde, wie schon jetzt sichtbar war. Er konnte natürlich jederzeit Wachen rufen, die dann die Einsichten vermitteln würden, die so wahr sind, dass sie wehtun. Aber dazu muss es ja nicht immer gleich kommen. Der Kamerad verabschiedete sich mit einem schwärmerischen »bis nachher in der Kantine!«
Ja, vergiss es. Ich laufe heim die paar Schritte und esse bei Mama.
Das hatten die anderen aufgefangen.
»Oh, er isst bei der Mama!« ging die Hänselei wieder los.

2. BELÄSTIGUNG
Ich versuchte in den ersten vier Wochen, mich an die Anbaggerei zu gewöhnen. Hier ein Arm um die Schulter, da ein Nachbarknie an meinem Oberschenkel. Einen Mond gab ich mir als Dauer, um nicht sofort loszulaufen und mich zu beklagen. Ich habe nicht gezählt, wie oft ich in der Pause fremde Finger aus meinem Lendentuch pflücken musste. Die Jungs taten es untereinander ganz ungeniert, wie es so unsere Art ist, und es war abzusehen, wann es jeder mit jedem einmal getrieben haben würde. Kein Duschen nach dem Sport, ohne dass einige Duschen doppelt belegt waren. Was für ein Glück, dass ich daheim schlief, denn in den Zimmern ging es auch entsprechend lebhaft zu. Da ich mich immer verweigerte, entstanden Gerüchte, ich sei ‘Hete’. Stimmt nicht. Ich bin schwul. So sehr, dass ich von den Angeboten der jungen Amazonen, die sich zu uns ‘verirrten’, noch stärker genervt war.

Eines Tages beobachtete mich eine kleine Frau. Sie folgte mir mit einem Blick, der nicht begehrlich war, sondern eher wachsam, prüfend und — ja, beschützend. Und ich bemerkte, dass das Prüfende den anderen galt und meinen Reaktionen auf ihre Avancen.
Also schaute ich sie an und blieb stehen.
»Dein Name?«
»Dené.«
»Und du bist in der Basisgruppe?«
»Ja, Madame.«
»Fühlst du dich da wohl?«
»Ich versuche es, Madame.«
»Du wirst belästigt?«
»Ja, Madame.«
»Wäre eine Amazone eine Option als Begleitung für dich?«
Ich überlegte. Sie würde mir doch nicht eine Wache an meine Seite abkommandieren? Das wäre demütigend. Wenn ich mir bei meinen Kameraden etwas Ansehen verschaffen wollte, dann ging das nur über Beweise von Stärke, sprich, ich würde mich physisch durchsetzen müssen. Aber das wollte ich nicht. Es kostete alle Beteiligten unnötig Kraft.
»Nein, Madame, das wird nicht nötig sein, vielen Dank«, erwiderte ich mit einer angedeuteten Verbeugung.
Sie legte ihre Hand auf meinen Unterarm: »Wir reden noch drüber, wenn du das willst«, raunte sie mir ein wenig verschwörerisch zu und trabte auf eine Mädchengruppe zu, die sie mit allen Zeichen von Respekt empfingen.
»Das war Amadux, falls du sie noch nicht kennst«, unterrichtete mich mein Kollege, »sie trainiert die Mädchen in Kampftechniken.«
Mir kam der Gedanke, ebenfalls bei ihr lernen zu wollen.

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