Die Geisteshaltung
dieses Movements war emanzipatorisch, lehnte sich an die Schwulenbewegung an
und wurde von nach innen und nach außen wirkenden Zielsetzungen getragen. Nach
innen, auf die Mitglieder gerichtet, hatte die Gemeinschaft das Ziel, jene von
dem Odium des Verbrecherischen bzw. des Lebensuntüchtigen und Kriecherischen zu
befreien. Vor allem aber ging es um die Beendigung von Schuldgefühlen, um die
Beendigung der Annahme, man sei mit seiner Perversion allein auf der Welt. Nach
außen war die Absicht, dies der Öffentlichkeit zu übermitteln, u.a. der
Polizei, der Presse, den Behörden, dem Gesundheitswesen. Die geduldige Arbeit
der genannten Initiativen hat dazu geführt, dass Menschen mit einer Neigung zu
BDSM nicht mehr als krank betrachtet werden. In der Kielwelle der Gay
Liberation ist es gelungen, die Einstufung zu verändern und SM somit aus der
Schattenzone der Gewaltverbrechen herauszuholen.
Dieses Ziel ist noch nicht ganz erreicht, aber wir sind ihm
ein gutes Stück näher gekommen.
Untrennbar vom politischen Ziel ist die
Bewusstseinsbildung. Nur wenn die Grundhaltung eine der „Freiheit, Gleichheit,
Brüderlichkeit“ ist, wie es die Französische Revolution formulierte und wie es
zur Grundlage der amerikanischen Verfassung wurde, kann
es eine solche Bewegung für sich in Anspruch nehmen, politisch fortschrittlich
zu sein. Die Quadratur des Kreises ist, in eine solche Richtung wiederum das
einzubetten, was von den Vordenkern politischer Befreiung auf das Schärfste bekämpft
wurde, nämlich — Sklaverei.
Für die Vertreter politischer Befreiungsbewegungen müsste sie eigentlich vollkommen inakzeptabel sein, wenn sie nicht folgenden Grundsätzen gehorchen würde:
— Die Unterwerfung muss körperlich und emotional sicher geschehen, so dass kein Beteiligter einen irreversiblen Schaden erleidet,
Für die Vertreter politischer Befreiungsbewegungen müsste sie eigentlich vollkommen inakzeptabel sein, wenn sie nicht folgenden Grundsätzen gehorchen würde:
— Die Unterwerfung muss körperlich und emotional sicher geschehen, so dass kein Beteiligter einen irreversiblen Schaden erleidet,
— die Aktivitäten müssen aus einem klaren Bewusstsein heraus
ausgeführt werden,
— die vollkommene Einvernehmlichkeit muss zu jeder
Zeit gewährleistet sein.
Das setzt natürlich voraus, dass alle Beteiligten zu jeder
Zeit von ihrem vollen Recht als menschliche Wesen bekleidet bleiben, welche
Experimente sie auch ausführen mögen, welche Erniedrigung und körperliche
Behandlung sei auch erfahren mögen. Sie bleiben in allen diesen Situationen ein
Mensch mit allen Grundrechten. Sie sind Staatsbürger mit Wahlrecht und allen
anderen bürgerlichen Rechten. BGB und StGB sind zu keiner Zeit außer Kraft
gesetzt.
Verantwortungsvolle Tops wissen das besser als ihre Subs. Indem sie sich dessen ständig bewusst sind, schaffen sie den Freiraum für Gefangenschaft. Subs können diesen Raum dann genießen und sich in Gefangenschaft begeben.
Verantwortungsvolle Tops wissen das besser als ihre Subs. Indem sie sich dessen ständig bewusst sind, schaffen sie den Freiraum für Gefangenschaft. Subs können diesen Raum dann genießen und sich in Gefangenschaft begeben.
Zum vollkommenen Genuss gehört natürlich die Illusion einer
echten Unfreiheit. Je stärker das Gefühl, eine Selbstbefreiung sei unmöglich,
desto stärker der Kick. Und so, wie ein Vorhängeschloss den ungleich stärkeren
Kick liefert als eine leichte Seilbondage, so wünscht und verlangt so manches
Sub seine Selbstaufgabe in der Macht von Herr oder Herrin.
Und ebenso verlockend und romantisch ist der
Gedanke, jemanden zu besitzen, ihm/ihr den eigenen Willen aufzuerlegen. Diese
Unfreiheit indessen hat Grenzen. Und diese werden nicht von der schnöden,
blöden Außenwelt gesetzt, so dass man seine Dornröschen-Welt nur im Privaten
verkapseln muss, und alles ist gut. Eine Störung des Paradieses wird nicht von
der Notwendigkeit, arbeiten zu gehen, verursacht, sondern diese ist nur ein
Zeichen, dass unser bürgerliches Leben nicht einfach aufhört! Unser
bürgerliches Leben ist ja (Millionäre ausgenommen) die Grundlage dafür, dass
wir die Lebensform des Machtgefälles genießen können.
Aus all diesem folgt, dass wir die Freiwilligkeit als
Grundlage unseres Paradieses hüten müssen. Freiwilligkeit, Wohlergehen,
Bewusstsein müssen permanent im Blick bleiben, damit alles beobachtet wird, was
eine ungute Tendenz zu werden droht. Top
lässt keine Kritik an sich zu? Regiert auch da nach Gutsherrenart, wo es dem
Sub wirklich nicht mehr gut geht? Sub muss Raum bekommen, um seine Kritik
vorzutragen. Das ist keine Frechheit, keine Unbotmäßigkeit, nichts, wofür
Strafe angedroht werden darf. Top hat die Pflicht, sich das anzuhören.
Und in diesem Moment besteht Augenhöhe. Jetzt
spricht Mensch zu Mensch.
Ich weiß, dass einige das nicht gern hören. Sie glauben, sie
würden dann aus der Rolle fallen. Sie meinen, sie können alles klären, ohne
dass Top sein Top-Sein auch nur für Sekunden ausschaltet.
Pardon, aber wer denkt, er müsse sich niemals was sagen lassen, ist größenwahnsinnig.
Pardon, aber wer denkt, er müsse sich niemals was sagen lassen, ist größenwahnsinnig.
In guten Zeiten mag das funktionieren. Solange die
Beziehung frisch und intakt ist, kann man sich nichts anderes vorstellen. Wir
schweben auf einer Wolke. Euphorie ist angesagt. Alles gelingt, alles ist
schön. Wir betrachten es schon als Frevel, überhaupt an eine Krise zu denken.
Wenn jemand ein Mietverhältnis eingehen will, ist am Anfang
noch alles gut. Wenn aber ein Vermieter sagen würde: „Wir brauchen keinen
Mietvertrag, wir verstehen uns doch bestens“ — oder gar: „Einen Mietvertrag
machen wir, wenn wir ein Problem bekommen“, dann würden wir sagen, der ist
verrückt.
Wenn ich davon rede, ein Top und ein Sub sollten
einen schriftlichen Vertrag aufsetzen, ist das dann verrückt? Wo ist der
Unterschied?
Mieter und Vermieter sind nicht in einander verliebt. Meist
nicht. Schon richtig. Aber sind es nicht gerade die Liebesbeziehungen, die
damit enden, dass die Partner sich fetzen wie nichts Gutes?
Zu glauben, dass die eigene Beziehung deshalb
friedlicher ist, weil die Rollen klar verteilt sind, mag ein gutes Stück weit
tragen. Aber zu glauben, dass es niemals Probleme geben wird, heißt, sich in
die Tasche zu lügen.
Wir sollten nicht vergessen, dass das Grundgesetz von der
Unantastbarkeit der Würde des Menschen spricht. Auf dieser Grundlage errichten
wir ein Machtgefälle. Es gebürt den Vätern des Grundgesetzes Dank, dass es
diese Freiheit gibt; und wir müssen dem Strafgesetzbuch dankbar sein, dass es ein
Instrument ist, ohne das Missbrauch nicht bekämpft werden kann. Es ist ein
Instrument, das das Einnisten von Soziopathen und Triebtätern in den Schutzraum
BDSM verhindern helfen kann — wenn die Gemeinschaft wach ist und sich ihrer
rechtlichen Grundlagen bewusst bleibt. Missbrauch, destruktive Beziehungen
werden zuallererst von den Subs erlitten, und darum müssen sie es sein, die
ihre Verantwortung erkennen, ihre Situation analysieren, ob sie in den
gegebenen Umständen wirklich glücklich sind. Wo nicht, muss die Beziehung
korrigiert werden, nicht das Recht. Ein Top, der sich nicht einem ehrlichen
Gespräch auf Augenhöhe stellen kann, der nicht ein vitales Interesse daran hat,
das Wohlbefinden seines/seiner Sub wiederherzustellen, ist kein guter Top. Ein(e)
Sub, die nicht den Mut hat, sich einem solchen Gespräch zu stellen, sollte sich
überlegen, ob er/sie vielleicht in einer missbräuchlichen Beziehung steckt. Sie
sollte sich mit anderen zusammentun, die in der gleichen Lage sind.
Denn Top und Sub müssen wissen, dass Subs jederzeit das Recht haben, eine Aktion abzubrechen, die sie nicht ertragen können, was auch immer vorher abgesprochen war. Verantwortungsvolle Tops wissen das und werden beim Stopwort abbrechen, auch wenn 40 Jahre lang alles prima war — ja, sie werden darauf bestehen, dass es eins geben muss, auch wenn das Sub in seiner Euphorie keins will.
Denn Top und Sub müssen wissen, dass Subs jederzeit das Recht haben, eine Aktion abzubrechen, die sie nicht ertragen können, was auch immer vorher abgesprochen war. Verantwortungsvolle Tops wissen das und werden beim Stopwort abbrechen, auch wenn 40 Jahre lang alles prima war — ja, sie werden darauf bestehen, dass es eins geben muss, auch wenn das Sub in seiner Euphorie keins will.