Aber selbst im Koran ist die Herrschaft des Mannes an eine Bedingung geknüpft: "... da er der Vernünftigere ist". Könnte es nicht heißen, "sofern er der Vernünftigere ist"? Ja, und wo er es nicht ist, da regiert Madame mit Fug und Recht. Schließlich heiratete der Prophet eine ältere, erfolgreiche Geschäftsfrau; wohl anzunehmen, dass zunächst einmal sie das Zepter schwang.
Wenn wir Herrschaftsverhältnisse à la FemDom einrichten, dann folgen wir nur in den seltensten Fällen einer Religion, allenfalls setzen wir uns in Widerspruch zu einer angestammten Sittenlehre. Fragen wir aber nach dem Sinn, dann liegt der für uns in der Freude, die uns das macht, in der Stimmigkeit, die die Rollenverteilung für beide Beteiligten besitzt. Und es wäre schlecht, wenn einer von beiden sich in seiner Position nicht wohlfühlen würde.
FemDom heilt alte Wunden. Die Verehrung, die ein devoter Mann uns entgegenbringt, die Hilfen, die er anbietet (wenn er ein guter Devoter ist), der Gehorsam, den wir von ihm erfahren, das tut uns wohl. Und wenn es gut läuft, kommt es zu einem Austausch der Kräfte, von dem beide ihr Glück beziehen. Er taucht ein in die Tiefen der Schmerzlust oder der Freude an Demut oder an beidem. Ich genieße es, nicht die Demütigung eines -- selbst lieb gemeinten -- Getopptwerdens durch einen Mann aushalten zu müssen.
Problematisch ist die Konstellation aber dann, wenn wir uns aus lauter Vergnügen an den neuen Rollen von den bürgerlichen Rechten verabschieden. Dominanz kann so bequem sein, dass man jegliches eigene Bemühen als Zumutung empfindet, und die Anerkennung, die lückenlos alles abdeckt, was wir tun, kann dazu führen, dass wir nicht mehr in der Lage sind, unser eigenes Handeln selbstkritisch zu reflektieren, und was noch schlimmer ist: Wir können dann Kritik von außen nicht mehr ertragen. Wir empfinden sie als Rebellion, als die Aufkündigung jeglicher Loyalität und Unterwerfung. Und wir reagieren mit Sprüchen, die unsere Urgroßväter nicht besser hätten formulieren können. "Wenn dir das nicht gefällt, kannst du ruhig gehen." -- "Ich dachte, dir liegt was an mir." -- "Willst du mich jetzt zur Abwechslung toppen? Ohne mich."
Es ist gesund, die Ebene des Toppens regelmäßig zu verlassen, um sich mit seinem Sub auf Augenhöhe zu unterhalten. Es ist klüger, sich auch mal die Gedanken des Sub erzählen zu lassen, auch wenn man dann feststellt, dass er mich auch mit kritischem, klarem, vielleicht im ersten Moment scheinbar kaltem Blick sehen kann. Auch wenn die Macht uns tröstet, wenn sie die vielen Demütigungen zu heilen scheint, die das Leben uns verpasst hat, so darf sie uns nicht verführen, von unserer Seite aus eine Willkürherrschaft zu errichten, in der der Wille anderer, zumal derer, die nicht gefragt worden sind, nicht respektiert wird. Ein Machtgefälle, das nicht von beiden Seiten getragen wird, ist nicht einvernehmlich. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir uns letztendlich auf dem Boden des Grundgesetzes bewegen. Dass unser Machtgefälle, so real es uns erscheinen mag, nichts anderes ist als eine Verabredung gegen die Rechtsnorm, eine Abmachung, die jederzeit in sich zusammenfallen kann. Und auch im Sozialleben sollten wir das nicht vergessen.
Die Szene entwickelt sich zu einen Geflecht von subkulturellen Gruppen, deren Verhalten von ganz offen bis zu ganz klandestin reicht. Der verführerische Charme einer solchen Gründung kann in einer meistens angemaßten und von den anderen geduldeten Machtposition liegen. Selten organisieren sie sich basisdemokratisch; meistens tun sie es nur dann, wenn eine politische Überzeugung im Hintergrund steht, die von der letztlichen Gleichheit der Menschen ausgeht. Und diese Überzeugung muss schon recht stark sein, damit man sie in diesem Zusammenhang praktizieren möchte. Aber je größer die sozialen Verbünde werden und je mehr die Zusammenkünfte Regeln verlangen (denn die sind immer notwendig, wenn eine große Zahl von Menschen zusammentrifft), umso wichtiger ist auch der Konsens, allein schon, um Ruhe und Harmonie zu erzeugen.
Darum kommen wir auch in der BDSM-Welt auf die Dauer nicht drum herum, uns mit basisdemokratischen Mitteln die Zustimmung der Beteiligten zu beschaffen. Auch dann, wenn allen erschienenen Damen angeleinte nackte Sklaven zu Füßen liegen und ihnen die Lackschühchen küssen, sind doch die Ladies unter sich gleich, Ritterinnen der Tafelrunde.
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