Dienstag, 24. Oktober 2017

Sklavenverträge

Deutschland sucht den Sklavenvertrag

Was sind das für seltsame Dinge? Viele trauen ihnen nichts zu. Der Begriff wird auch schon mal für windige Erpressungsversuche missbraucht, wie man auf einer Anwalts-Website nachlesen kann. Juristisch ist so etwas kaum nutzbar, vielleicht geht der Schuss sogar nach hinten los. Viele Juristen betrachten solche privaten Abmachungen als sittenwidrig, sehen sie doch aus wie ein Versuch, dem geltenden Recht eigene Definitionen entgegenzusetzen. Größte Sicherheit gegen z.B. Vergewaltigungsvorwürfe bietet immer noch die Community, die lebendige Gemeinschaft von persönlich bekannten Menschen, die sich in der realen Welt treffen, denn wer hier bekannt ist und Vertrauen genießt, kann seinen Leumund wirksamer verteidigen als ein Cyberheld.
Was aber kann so ein Vertrag? Wer setzt ihn auf?
Es gibt Vorlagen für solche Verträge. Ich habe bis jetzt noch keinen vernünftigen gefunden. Etliche kannst du in die Tonne treten. Sie sind nichts weiter als eine aufgeilende Spielerei.
Versuchen wir aber mal, etwas Nützliches zu entwerfen.
Ich befasse mich jetzt nicht mit Kleidungsvorschriften und Praktiken. Das kann Gegenstand des Vertrags sein, aber es trifft nicht sein Wesen und seine Chancen.
Viel wichtiger sind Fragen wie:
-- Welchen Stellenwert wird unser Machtgefälle haben, durchgehend, unterbrochen oder gelegentlich?
-- Wie regeln wir unseren Alltag? Spielt Dominanz/Submission darin überhaupt eine Rolle?
-- Welches Rollenmodell für Top und Sub wird favorisiert? (1)
-- Wie weit geht das Machtgefälle: Vermögensverwaltung? Aufenthaltsbestimmung? Auswahl von Bildungsinhalten? Soziale Eingriffe (Top wählt Freunde des Sub aus und verbannt andere)?
-- Richten wir eine Auszeit für Manöverkritik ein? Wann? Nach der Session? Jeden Sonntag? Jeden Ersten?
-- Wie beziehen wir Dritte ein? Gar nicht? -- auf Parties? -- wie weit darf das gehen?
-- Wie wirksam sind Kurskorrekturen seitens Sub, wenn das Bedürfnis besteht?
-- Wer kann die Beziehung beenden?
Ganz klar: Beide haben das Recht! Wer gehen will, geht. Alles andere wird als Freiheitsberaubung bestraft. Liebe Subs, wenn euch ein Vertrag vorgelegt wird, in dem ihr auf alle Rechte verzichtet, sogar darauf, die Beziehung von euch aus zu beenden, dann sollten eigentlich alle roten Lichter aufblinken.
Verträge mit diesen Inhalten können auch ganz am Anfang einer Beziehung mit Machtgefälle entworfen werden, sie helfen zu erkennen, auf was ein Newbie sich einlässt, darum finde es gut, wenn man sehr früh das Thema bespricht. (2)
Ich weiß, dass vielen, auch den Subs, solche Aussagen zu unromantisch sind. Aber o Wunder, wie unromantisch es wird, wenn Frauen nicht doch gelegentlich Freiheiten genießen können! Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich diese Seite der Persönlichkeit wieder durchsetzt. Schließlich sind wir in einer Gesellschaft aufgewachsen, die Werte wie Gleichberechtigung und Mitgestaltung der Demokratie vertritt. Wenn sich subs eine ganze Weile widerstandslos haben prägen lassen und irgenwann aufwachen und sich fragen, wie weit sie schon von ihrer ursprünglichen Persönlichkeit abgedriftet sind... Dann nämlich zeigt sich eine sehr wichtige Funktion von Sklavenverträgen: 
-- Sie helfen dem Gedächtnis beider nach. 
-- Sie erlauben nachzuprüfen, wie sich die Vorstellungen und Wünsche der Partner entwickelt haben. -- Sie sind eine wichtige Vorbeugung gegen sich einschleichende ungute Tendenzen: Sie zeigen, wo sich Ziele und Grundlagen verändert haben. 

Und es muss nicht immer Top sein, der/die sich manipulativ verhält, sondern das ist auch zwischen einem starken sub und einem sensiblen Top möglich. (3) 

Das alles hört sich so nüchtern an. Dennoch ist es magisch, solche Verhandlungen zu führen, es kann prickeln. Denn auch wenn man eine juristisch nicht so relevante Handlung ausführt, ist klar, dass sie aber die Emotionen der Beteiligten in sehr intensiver Weise ansprechen kann. Und so kann man diesem besonderen Verhältnis eine besondere Tiefe verleihen (4).

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(1)Die Magd, die Zofe, die antike Sklavin, die Leibeigene, die Kurtisane? Der Marquis, der Gutsherr, der Dominus?
Entsprechende Überlegungen können auch im FemDom/malesub-Bereich oder weiteren Konstellationen angestellt werden.
(2) Wichtigste Voraussetzung:
Der Vertrag wird außerhalb des Machtgefälles geschlossen. Die Partner befinden sich zur Zeit der Verhandlung und bis zur Unterschrift auf einer gleichberechtigten Ebene. Das liegt in der Logik eines Vertrags. Wenn du einen Mietvertrag abschließen willst, erscheinst du ja nicht bei den ersten Verhandlungen mit den Worten: "Ach übrigens, ich bin schon mal eingezogen. Sie haben doch nichts dagegen?"
(3) Verträge sind auch ein Mittel gegen bewusste Manipulation, sogenanntes "Gaslighting", das bedeutet, dass der eine Partner den Glauben des anderen an sich selber untergräbt, indem er / sie die Aussagen des anderen ständig bezweifelt und das Selbstwertgefühl des Partners schwächt, kaschiert durch Fürsorglichkeit, bis ein Partner völlig abhängig vom anderen geworden ist und sich selber nichts mehr zutraut. Die Bezeichnung stammt von einem Hitchcock-Film mit obigem Titel.
(4) Es ist ja ein Versprechen, das man einander gibt, und damit ist es gefühlstechnisch schon vergleichbar mit einer Verlobung. Und schließlich waren Eheverträge in früheren Zeiten und teils auch heute ein wichtiges Mittel der materiellen Absicherung -- und das hatte natürlich existenzelle Konsequenzen.
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