Samstag, 11. April 2020

Was ich sonst nie mache: Leseprobe aus einem unfertigen Roman


Dox ist ein junger 'Gardo' in der Ausbildung als Palastwache im Dienst eines Homsarec-Fürsten. Mit 16 soll er sich bei seinem Ausbilder melden und fährt zu diesem Zweck nach Veliki Nowgorod.

»Aber Nanajez von den Pfauen ist doch hier?« versuchte ich es ein letztes Mal.
»Schon, aber er lässt niemanden vor«, war die entmutigende Auskunft. Und ein anderer feixte und bemerkte, ich könne mich ja schon mal in die Audienzliste eintragen.
»Würdet ihr mir wenigstens erlauben, ihm eine Notiz zu hinterlassen?« fragte ich verzweifelt, und das wurde mir dann gestattet. Ich schrieb also ein auch in aller Kürze höfliches Briefchen, in dem ich ihn bat, Kontakt mit Dox von den Tigern, Sohn der Sarx, aufzunehmen, und nannte die Adresse, bei der ich unterkommen konnte. Die Wache stopfte sich den Zettel in die Tasche, so dass meine Hoffnung schwand, dass er sich drum kümmern würde.
Also wanderte ich verfroren, hungrig und frustriert zu dem Haus, das mir als Unterkunft genannt worden war. Schon als ich eintrat, polterten zwei betrunkene Cros hinaus und bedachten mich mit freundlichen Flüchen und einen kräftigen Klaps auf den Po. Ich tappte durch einen nach Kohl riechenden Korridor und versuchte, mich an den Namen eines der Mitreisenden zu erinnern. Aber da war nichts. Es schien ihnen nichts auszumachen, einer kam auf den Korridor, um nachzusehen, wer da hereinkam, umarmte mich kräftig, »sei gegrüßt, Bruder!« und zog mich in einen Raum, in dem geheizt war, getafelt wurde und wo Unsrige versammelt waren. Der, mit dem ich aus dem Bus gestiegen war, schien nicht hier zu sein, dafür eine lustige Gesellschaft, die bei den Speisen tüchtig zulangte und Gastgebern, die auch gleich mir einen Teller mit Teigtaschen, Frikadellen und Kohlsalat füllten.
Ich war gerettet.
Vorerst.
Natürlich versuchten sie sofort, mir Wodka einzutrichtern. Ich tat so, als tränke ich mit ihnen, goss meinen Wodka in das leere Glas des Mannes neben mir, der just in ein Streitgespräch verwickelt war. Selber füllte ich mein Glas heimlich mit Wasser und prostete allen Anwesenden zu.
Ich bemerkte wohl die feurigen Blicke einiger Anwesender. Wie meist, weckte ich die Begierde. Ich war jung und hübsch, und ich war mir nicht sicher, wie ich meinen Arsch über diesen Abend retten würde, denn dass ich einem Meister versprochen war, schrumpfte in diesem Kreis zu einer reinen Schutzbehauptung zusammen. Ich war ja immer noch ohne Ohrringe, wovon sich schon einige der Brüder durch einen raschen Griff in meine Haare überzeugt hatten. Und wie der Alkoholgehalt im Blut der Unseren stieg, fühlte ich mich immer kleiner und zunehmend ausgeliefert.
Es war erst halb fünf am Nachmittag, aber es dunkelte schon, was ich nun zum ersten Mal in diesen Breiten bewusst erlebte; denn gestern hatte ich in der Sorge um Ganassan die Zeit vergessen. Ich fragte also nach dem Weg zum Klo, hätte es auch ohne Wegweiser am Geruch gefunden, erleichterte mich hastig, griff mir dann mein Wintertuch und den Schultersack, beides bei der Tür deponiert, und stieg in den Oberstock, um diesen zu erkunden. Denn ich wusste, sie würden mich draußen suchen; und wohin hätte ich gehen sollen? Es war frostig und dunkel, ich kannte niemanden außer dieser fröhlichen Runde, und sie würden mich ausgerechnet hier oben sicher nicht suchen. Hier waren Zimmer, in denen je mehrere von uns wohnten, wie die Ablagen im Flur verrieten. Am Ende des Korridors fand ich eine unverschlossene Abstellkammer, in der ich mir auch ein Nachtlager würde machen können. Denn hier gab es Bettzeug und Decken, gelagert für den Fall größerer Besucher­einfälle, wie bei uns üblich. Ich war satt, zudem noch mit einem Stullenpaket aus Petschory ausgestattet. Und eine Wasserflasche hatte ich auch. Wenn alle schliefen, würde ich mir eine Mitfahrgelegenheit suchen, zurück nach Sukent, und diese Reise wäre gescheitert.
Etwas länger nur, als Pinkeln durchschnittlich dauert, brauchten die Brüder, um zu begreifen, dass ich nicht zurückkam. Hatten mich also voll auf dem Schirm. Sie polterten durch den Gang und riefen nach ‘Dox’, der ‘Süßen’, wo sie denn wohl steckte, riefen einander zu: »Hier ist sie nicht!«, immer, nachdem sie eine Tür geöffnet hatten. Die homophoben Machos. Können nicht zugeben, dass sie schwul sind. Selbst die Unsrigen sind hier so drauf! Russland halt.
Sie rannten von einem Zimmer zum anderen und öffneten die Türen, und in einem langgestreckten Mietshaus wie diesem mochten wohl einige Dutzend Leute wohnen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie auch diese Kammer inspizierten, und mich unter den Decken zu vergraben würde mir nicht helfen, sie lasen mich auf diese kurze Distanz.
Und ich las ihre Gier.
Ich erwartete also mein Schicksal und nahm es als die karmische Folge dessen hin, was ich Purix angetan hatte.
Aber da las ich noch jemanden. Ich fühlte, dass mein Meister mich suchte. Das heißt, er baute auch von sich aus eine Verbindung zu seinem neuen Pais auf! Er schicke jemanden nach mir, war die Botschaft. Aber solange sein Bote nicht nah genug war, rührte ich mich nicht.
Da riss jemand die Tür auf und schrie: »Hier ist er!«
Weitere Schritte wurden auf der hölzernen Stiege hörbar und näherten sich durch den Korridor.
»Was machst du denn hier?«
»Wolltest du denn schon schlafen? Und auch noch allein?«
»Ach ja, er sagte, er hat einen Meister, wer soll denn das sein, der Zar vielleicht?«
Brüllendes Gelächter aus fünf, sechs besoffenen Kehlen folgte dieser Frage.
»Komm, Süße, zier dich nicht!« Und unter dem grölenden Gesang eines Volkslieds zogen sie mich hoch und zwangen mich zu einem eng umschlungenen Tanz durch den dunklen Korridor: »Bleib doch stehn, bleib steh-he-hen, du Allerschönste mei-hein, lass mich dich bese-hen, Freude sollst mir sein!«
»Ты постой, постой, красавица моя,
Дозволь наглядеться, радость, на тебя!«
Sie hatten mir schon das Wintertuch und meinen Schultersack entwunden, und nun bugsierten sie mich ins Wohnzimmer, wo einer eine Decke über die Chaiselongue breitete, und was das hieß, musste mir niemand erklären. Schon schoben und hoben sie mich auf das Möbel, und der Verfolger, der mich in der Kammer entdeckt hatte, besaß offenbar das Recht des ersten Ficks und spreizte mir die Backen, und ich fühlte etwas Kühles, soviel Rücksicht besaßen sie immerhin, mich zu gelen.
Ein Weiterer wühlte mir in den Haaren. Ich zählte sechs, die mich umstanden und die Aktivität ihres Alpharüden beobachteten.
»Hört auf, ich gehöre Nanajez von den Pfauen!« schrie ich, »ich bin ihm gegeben! Durch meine Mutter!« Aber der Anführer versenkte sich bereits mit einem schmerzhaften Stoß in mir. In diesem Moment erklangen Schritte schwerer Stiefel auf der Treppe und waren schon im Zimmer.
»Auf der Stelle lasst ihr ihn los!« erklang eine weibliche Stimme in herrischem Alt, und eine Amazone in voller Kampftracht stand mit gezückter Lanze im Raum. Meinem Beschäler schrumpfte sofort das Volumen.

Tag 31: Was sind deine nächsten Ziele, und welche Schritte stehen dir als Nächstes bevor?

  #charactersofoctober #desschreiberswildeträume Fido: Mein Ziel ist es, den Kurs der Annäherung von Menschen und Thieren weiter zu verfo...