Samstag, 13. Mai 2017

Mein heimliches Venedig

Vor etwa 45 Jahren war ich zuletzt in Venedig. Ich biege in einen Hof ein und stehe stocksteif da. Wie wahrscheinlich ist es, einen der Tausende von Höfen wiederzufinden, gerade den, dessen Bild man als besonders gelungen, als besonders typisch, als Ikone gehütet hat?
 
Und noch weiter. Dieser Sotoportego führt zu einem Haus, das ich als Schauplatz ausgewählt habe für den Einbruch, den Lelo bei seiner Tante Nox begeht.
 Die Bäume und üppigen Rankpflanzen sind inzwischen entfernt, dafür ist die kleine Gondelwerft zu einem Garten geworden.
Doch besuchen wir nun die Insel Torcello. Sie liegt mitten im Sumpf und zeigt eine byzantinische Basilika, einen Campanile, der auch zu San Marco in Venedig passen würde, und ein Zauberding von einer Santa Fosca. Davon später. Hier aber die Brücke, die inzwischen renoviert ist und die Faxen vieler Touristen aus Ost und West erträgt.
Die Insel ist inzwischen arg überpflegt. Damals fotografierte ich den Campanile durch einen Schleier aus Schilf; inzwischen ist da kein Schilf mehr, sondern gemähter Rasen. Als hätte man den nicht überall. Wäre sie noch so wie früher, könnte man sich noch besser vorstellen, wie Lelo seine Strafe auf dieser Insel absitzt, von Amazonen schikaniert und in einen langen Arbeitstag eingespannt.
A propos Lelo. Einen jungen Mann, auf den die Beschreibung gut passen würde, sah ich zeichnend vor dem Bild, das mich bei meinem ersten Besuch im Guggenheim-Museum am stärksten beeindruckt hat, Empire of Light.
Und noch was entdeckt. Wir erinnern uns vielleicht -- meine lieben 3 Leser --, dass der Name des Dogen Tanguta im Sitzungssaal eingeschrieben ist. Ich nahm seinen Namen von den Tanguten, einem zentralasiatischen Volk. Und was sehe ich da auf einer großen Asienkarte aus dem 15. Jh., der berühmten Karte des Fra Mauro?
TANGUT.
Noch ein paar Verwunderlichkeiten? Astrologische Parallelen. Vor dem Arsenal wachen Mars und Neptun, der Gott des Krieges und der Gott der Meere. In meinem Geburtshoroskop ist Mars der Herr des Monats, ist bei mir sehr stark aspektiert, und Neptun der Herr der Stunde, und sie stehen auch noch in Opposition zueinander, also gegenüber.
Das Typische an solcher Suche nach Symbolen ist wahrscheinlich, dass man immer etwas findet, wenn man sucht.


Freitag, 21. April 2017

Auf die Gefahr zu predigen...



Was ich meinte, wie wir das machen
mit der häuslichen Harmonie...


Eigentlich sind wir so extrem verschieden, daß ich anfangs dachte, wir würden gar nicht zusammenpassen.
Wie lebt man nach 20 Jahren immer noch harmonisch zusammen, auch wenn die einstige Top-Sub-Beziehung ein Miteinander auf Augenhöhe geworden ist, auch wenn ein Partner sich in einer neuen Beziehung befindet, wir aber weiter zusammenleben?
Die Grundsätze von SSC haben immer noch ihre Bedeutung, auch wenn wir nicht mehr „spielen“ oder etwa TPE haben, was wir nie hatten. Aber der Umgang mit dem Partner ist bei uns beiden stark von den Grundsätzen der BDSM-Kultur geprägt worden, und das ist immer noch von großer Wichtigkeit.
Ohne das Zutun Dritter haben wir uns noch nie gestritten, waren allenfalls verschiedener Meinung und haben das in einem ruhigen Gespräch geklärt.
Inzwischen lauten die Regeln:

1.        Immer fragen, ob der andere etwas möchte (Licht, Luft, Fenster auf, Musik an/aus etc.) Wenn etwas nicht gemocht wird, wird es ohne Nachfragen oder Maulen abgestellt. Wenn die Wünsche wirklich verschieden sind — einer möchte lesen und fühlt sich durch Musik oder Fernsehen gestört, der andere möchte Unterhaltung —, gibt es Kopfhörer. Wir haben getrennte Schlafzimmer, das ist vielleicht auch ein Grundpfeiler unserer Harmonie, weil unsere Tagesrhythmen sehr verschieden sind.
2.        In der Freizeit halten wir uns außer zum Schlafen möglichst im selben Raum auf und regeln Bedürfnisse nach § 1. Alle Unstimmigkeiten werden besprochen, aber das Bedürfnis zu schweigen und/oder sich zurückzuziehen wird fraglos respektiert, spätestens, wenn der Grund dafür klar ist. Später wird eine bessere Zeit sein, um drüber zu reden. Man soll die Segel nicht zu flicken versuchen, während der Sturm anhält.
3.        Stoppsignale werden frühzeitig erkannt und respektiert.
4.        Der Beginn einer Aktivität (Abendbrot vorbereiten etc.) ist außer bei großer Müdigkeit ein Signal, dabei zu helfen; Aufforderungen ergehen nicht.
5.        Höfliche Formulierungen werden auch nach 20 Jahren Beziehung immer noch verwendet. Wir fragen freundlich nach, entschuldigen uns für Unaufmerksamkeit und sagen uns oft Dinge der positiven Bestärkung.
6.        Gegenseitige Kritik wird so selten wie möglich geäußert. Wir lassen einander die Chance, Fehler selber zu erkennen. Vor allem vermeiden wir „du bist...“-Sätze, allenfalls beziehen wir uns auf das Tun oder Lassen. Aber dann in der Form einer höflichen Nachfrage: „Bringst du noch den Plastikmüll raus?“ anstatt: „Du hast den Plastikmüll noch nicht rausgebracht“.
7.        Ich habe ihn noch nie belogen, und ich glaube daran, daß er mir auch immer die Wahrheit sagt. Ein Effekt dieser Disziplin ist, daß es niemandem gelungen ist, uns durch Verleumdung auseinanderzubringen, denn wenn wir das klären, glaubt er mir und ich ihm. Allenfalls kann Irrtum oder Übertreibung angenommen werden, wenn Widersprüche auftauchen.
8.        Es gab Situationen, in denen es schwer war, diese Grundsätze einzuhalten, denn sie funktionieren vor allem im Normalfall. Dennoch halten wir bestimmte Eckpunkte auch in großen Krisen ein, das ist: Den anderen nicht in seiner persönlichen Integrität anzugreifen; nicht weiter zu fragen, wenn der andere nicht drüber reden will; nicht zu „nerven“ — und vor allem provozierende, destruktive oder andere böswillige Handlungen völlig zu unterlassen. Damit erreichen wir auch, daß der emotionale Pegel nicht in ein unkontrolliertes Handeln oder Taten aus Wut umschlägt. Wir sind uns dessen bewußt, daß „zerschlagenes Porzellan“ immer einen sichtbaren Riß behält, selbst wenn man es mit Gold flickt, wie es die Japaner machen.
9.        Wir schützen unser Zuhause als Refugium und lassen auch keine Störung durch Dritte zu. Nur Personen, die beiden Partnern genehm sind, haben Zutritt.
http://www.lakesidepottery.com/Pages/Kintsugi-art-example-gallery.htm
http://loveumentary.com/the-art-of-being-broken/

Mittwoch, 15. Februar 2017

Ein Kapitel, das Männer nicht gern lesen werden

Autorinnen und Autoren geben sich immer ganz erschüttert, was für "Märchen" und Tabus sich um die Menstruation ranken. Nicht backen, nicht mit Wein arbeiten, keine Milchprodukte bearbeiten. Das mit dem "Milch nicht anfassen" ist sehr vernünftig. Gerade das Buttern verlangt eine Kraft und erschüttert den Unterleib so, dass das bei geschwächten Organen wie in den Tagen als sehr unangenehm empfunden wird. Ähnlich ist es beim Brotbacken, das in früherer Zeit mit Kraft verbunden war. Der Teig musste gerührt, geknetet werden und man hob die mehrere Kilo schweren Laibe mit einer Backschaufel in den Ofen. Dieser befand sich meistens im Freien, denn es waren vielfach Gemeindeöfen, die vom ganzen Dorf benutzt wurden. Aber auch in einer bäuerlichen Gemeinschaft, die sich um eine Großfamilie gruppierte, war Brotbacken keine leichte Arbeit. Kochen und Backen braucht Geduld. Wenn eine Frau nicht mehr stehen kann, weil sie zeitweilig geschwächt ist, wird sie dazu tendieren, die Prozesse abzukürzen. Die Hefe entfaltet sich nicht richtig -- auch beim Wein ist das ein Problem --, alle möglichen Vorgänge werden nicht mit dem gewohnten Rhythmus ausgeführt.
Da der Uterus selbst keine Nerven hat, merken wir oft nicht, dass wir Schonung brauchen, tun, was wir immer tun, aber heute misslingt es... Es dient also zum Schutz, bestimmte Arbeiten zu meiden. Wie auch einige andere Rückzugsmöglichkeiten. 

Wie anders konnten sich denn die Frauen der alten bäuerlichen Gestellschaften aus ihren permanenten Pflichten heraus ein bisschen Schonung verschaffen? Ich bin sehr sicher, dass diese "Aberglauben" von Frauen entwickelt worden sind, die sich auf diese -- einzige von den Männern akzeptierte -- Art ein wenig Verschnaufpausen verschafft haben. Und dass die Durchhalteparolen ("moderne Hygiene schafft es, dass Sie alles tun können, was Sie immer tun") aus einer postpatriarchalen, post1945er Sportlehrer-Mentalität geschaffen wurden -- ich weiß das noch sehr gut, ich hatte 1962 meine Menarche. Bis in die 2. Hälfte des 20. Jh. wurden solche Schonungsargumente akzeptiert; auch galt noch ein ganzes Stück weit die sehr sinnvolle Enthaltsamkeit vom Sex, die ja nicht nur für Juden und Muslime gilt, sondern auch in der christlichen Bibel zu finden ist. 
Mal ehrlich: Wenn ich das Bedürfnis hätte, mir -- bei aller Liebe zum Sex -- zeitweilig den Kerl vom Leib zu halten, würde ich auch eine Mär erfinden, dass das Blut giftig ist.
Übrigens brennt es tatsächlich ein bisschen auf der Schleimhaut, anders als wenn man sich in den Finger geschnitten hat. Es enthält Anti-Gerinnungsstoffe, die verhindern, dass das Blut in der Gebärmutter verklumpt. Die Chemie des weiblichen Körpers verändert sich also im Laufe des Zyklus, egal, was da irgendwelche Weißkittel meinen herausgefunden zu haben.
Dass sich der Wind drehte und die Mediziner solche Begründungen für zeitweilige Schonung aufdecken zu müssen glaubten, erklärt sich mit der immer noch verbreiteten Grundhaltung des Nationalsozialismus: Dass man "keine Müdigkeit vorschützen" dürfe, galt nicht nur für Soldaten, Flakhelfer und Rüstungsarbeiterinnen, sondern auch für die Mütter und Mädchen an der "Heimatfront". Einige Berufstände herrschten ungebrochen weiter nach der Befreiung (ja, ich meine die Kapitulation Deutschlands!), darunter waren -- für dieses Thema relevant -- Mediziner und Sportlehrer. Ob sie nun vergessen hatten, welchem Zweck die Ertüchtigung auch der Frauen damals gedient hatte? Viele, die ich noch aus meiner Teenzeit erinnere, führten sich auf, als hätten sie vergessen, dass der Krieg vorbei war.


Übrigens gibt es einige Frauen, die gerade während ihrer Tage noch mehr Lust auf Sex haben. Das ist möglicherweise eine Verwechslung von Schmerz und Lust, zu welcher das Gehirn bekanntlich neigt, denn die beiden Zentren liegen nah beieinander. Nach Ansicht der Traditionellen Chinesischen Medizin ist das ein Zeichen für eine Schwächung der Nieren, also ein Hinweis darauf, dass man es an zwei Tagen des Monats wohl besser lassen sollte.
Die alten Religionsstifter waren keine Idioten.



Mittwoch, 8. Februar 2017

Laaaaaaaaaaangweilig

Was mich oft anödet in der BDSM-Welt ist die gähnende Monotonie. Schwarz schwarz schwarz Stahl Latex Leder Schwarz. Handschellen, Ketten, Seile -- schwarz oder weiß, vielleicht mal rot. High Heels sind obligatorisch -- ja, nichts dagegen, wenn du's magst und tragen kannst, aber sie sind inzwischen ZWANG! Welcher Mann glaubt, eine Frau auf flachen Schuhen sei dominant? Wer kann sich vorstellen, dass man ein erotisches Machtgefälle mit Hanfseilen und Tribal-Kleidung praktizieren kann? Ich möchte eine Südsee-Königin sein, die sich von ihren Sklaven bedienen lässt und sie nach Belieben foltert. Rohrstock reicht schon. Und ich möchte alle diese Wunschzettelquallen in Bambuskäfige sperren und drei Tage hungern lassen, die mir ihre Fetische aufzwingen wollen, und das wollen 99% der Kerls, die sich für "devot"  halten.

Donnerstag, 27. Oktober 2016

Homsarecs 3: Der Druck kann bestellt werden



 Bestellmöglichkeit über BoD, amazon und viele andere Portale, demnächst -- vorausgesetzt, es gibt Grünes Licht -- auch über den Shop der Schlagzeilen.

 Leseprobe


Isegrim ist eben erst aus der Wildnis zurück
Khorasan reichte die Tafel, und der Doge setzte eine Unterschrift darauf.
„Nun die Wahl: Rückkehr in die mährischen Wälder ist solange keine Option, wie die Bestrafung, die vom Gericht verhängt worden ist, nicht abgegolten ist. Du hast die Mög­lich­keit, als mein Serf in meinem Haus zu dienen oder zu den gleichen Bedingungen nach Torquato zurückzukehren. Wie entscheidest du dich?“
„Herr, das muß sorgfältig bedacht werden“, murmelte ich mit weiterhin gesenktem Kopf, aber vor meinem inneren Augen zogen Fluchtoptionen vorbei; dann hob ich meinen Blick und versuchte geknickt und unterwürfig auszusehen, „ich… weiß nicht…“
Vanessa und Tanguta tauschten Blicke.
Sie sagte ihm etwas ins Ohr.
„Sie meint, du würdest mich verarschen“, sprach mein Herr, „stimmt das?“
Ich nickte.
„Verdient es Strafe, werte Gemahlin?“
„Nein, mein Gemahl.“
„Wir lassen es nur den Tee trinken.“
„Ja, das wird ihm guttun.“
Sie grinsten.
Oh, ihr Schweine!
„Das habe sogar ich gehört“, grollte meine Herrin.
„Und es muß in Quarantäne“, fuhr er fort, „zumal unkontrollierter Umgang mit anderen die Forschung Kunkamanitos stört.“
„Ja, das müssen wir unterbinden.“
„Es hat sich jede Nacht von den Kannibalen ficken lassen.“
„Das geht gar nicht.“
„Jetzt werden andere Saiten aufgezogen.“
„Sex gibt es erst, wenn wir die Untersuchungsergebnisse haben.“
„Wenn überhaupt.“
„Ja, wenn überhaupt.“
„Schauen Sie mal, Madame, es ist beringt“, und er zieht mir mit einem raschen Griff das Lendentuch aus dem Gürtel.
Sie hat so etwas noch nie gesehen, das ist klar.
Sie wirkt direkt ein bißchen schockiert.
„Ist das ganz verheilt? Kann ich das anfassen?“
„Ja, Mad…“
„Du doch nicht, Klappe! Madame, Sie können es anfassen, wie Sie mögen.“
Sie untersuchte meinen Ring.
„Das ist ein Prinz Albert, benannt nach dem Gemahl von Queen Victoria.“
„Ein hervorragendes Hilfsmittel, um seinen Sex zu regieren, nehme ich an…“
„Das können wir so einrichten. Schauen Sie, während sich die verformbaren Weich­teile aus allen möglichen Keuschheitsgürteln rausschleichen, ist dieser Ring gnadenlos. Ohne Hilfsmittel kann es ihn nicht öffnen. Man kann es an einen Hodenring koppeln“, Tanguta demonstrierte eine solche Fesselung. Mir sank das Herz ins Lendentuch. Ganz klar, wenn ich diesen Zwangsmitteln unterlag, würde ich jede Nacht heulen vor unbe­frie­digter Gier.
Gleichzeitig war aber nicht ganz klar, ob sie das wirklich tun würden. Ich war einer gefährlichen Zweideutigkeit ausgeliefert. Und dieses Cro-Weib war inzwischen fast bes­ser darin, mich zu lesen, als er! Sie führten mich aufs Glatteis, ganz ohne Frage. Also die rührselige Schiene fahren.
„Lieber Herr, meine Sehnsucht nach Euch war monatelang unerträglich und ist seit der Reise nicht viel geringer. Ich war dort abgeschnitten von den Kontakten, ich war ge­zwungen, Dinge zu tun, die Ihr nicht billigt, habe jede Nacht nach Euch geweint, wurde vergewaltigt…“
„Ich weiß! Zuletzt vergangene Nacht. Mein armes Kind.“

Aus: "Der Mund der Wahrheit" -- Ein Novellenzyklus vom Rande der Realität

 
Ein weiteres Buch: Novellen aus den Achtzigern. Diese schrieb ich mit etwas mehr literarischem Anspruch, dafür sind sie BDSM-frei. Dennoch fehlt es ihnen nicht an Brisanz. Transsexualität, Vergewaltigung, Burka, schwule Liebe über eine politische Kluft hinweg sind die Themen. Geschichten aus einer Welt ohne Handys und ohne Internet. In wenigen Tagen erhältlich, 216 Seiten, 14 farbige Illustrationen im Innenteil, traditionelle Rechtschreibung, 14,90 €.


Auszüge aus der Novelle

Die unsichtbare Frau

1

... Liebe beginnt immer mit steilem Aufstieg. Manchmal sogar mit dem Höhepunkt. Sie folgt genau umgekehrt der Dramaturgie, die wir im Deutschunterricht für den Aufsatz lernen. Nach dem Gipfel schleppt sich die Handlung in die Ebene, sich gnadenlos verlangsamend, und du erfährst — ebenfalls in sauberem Gegensatz zum Aufsatz — immer weniger. Einen Monat lang waren sie blödsinnig verliebt gewesen und hatten mehr Zeit im Bett verbracht als außerhalb. Dann zankten sie sich: Armand hatte irgendwas geäußert, woran die versierte Leserin des „Märchenprinzen“ den Macho erkennt; wahrscheinlich war es ein Verriß des beliebten Breviers für die linke Frau; vielleicht hatte er sich soweit verstiegen zu sagen, sie müsse sich nicht wundern, als linke Frau auch nur linker Hand geehelicht zu sein. Ja, das hat er gesagt, Gott ver­zeih’s ihm. Er hat nicht beabsichtigt, sie zu demütigen, sagte er wenig­stens später, nein, er habe doch wirklich nur die Unlogik geißeln wollen, mit der seine Geliebte die bürgerliche Ehe verwarf und sie zugleich als ihre persönliche Lebenserfüllung anstrebte.
Welche Ohrfeige ins ehrliche Angesicht! Welcher Lohn für den heldenhaften Verzicht auf ein weißes Kleid und Einbauküche!
Die erste Wunde war geschlagen, die erste Narbe verunzierte unheil­bar ihre Liebe.
Armand war enttäuschst und fühlte sich unverstanden. Er suchte durchaus eine ebenbürtige Partnerin, keine, die er unterdrücken wollte, das warf sie ihm zu Unrecht vor. Und so kam er denn auch immer wieder an Frauen, die durchaus gescheit waren, aber sie schienen dem Frieden nicht zu trauen und nach ersten Gesprächen in eine Art Tarnverhalten überzu­gehen, und gaben so dumme Antworten, daß Armand wähnte, intellek­tuellen Mogelpackungen aufgesessen zu sein, während doch die Mädels mit halber Kraft fuhren, um ihn desto heller erstrahlen zu lassen.
Wenn er gerne zuhörte, anstatt den belehrenden Doktor Doolittle zu geben, so lag das an der Entdeckung, daß der Undercover-Agent sicherer ist als der Krieger auf freier Fläche. Leute, die ihn belehrten, erschütterte er gern in ihren Grundfesten durch naive Fragen, sobald er ihre Wis­sens­lücken spürte. Vorzugsweise bei studierten Gesprächspartnern kam das gut. Hinterließ auch oft bleibende pädagogische Wirkung.
Es waren selten Frauen, die er auf diese Weise bloßstellte. Hier war die Stoßrichtung eine andere, nämlich sie zu provozieren. Aus der Erfah­rung, nicht für voll genommen zu werden, aus der Erfahrung der unzäh­ligen Kränkungen, die Frauen durch Männer erfahren, wenn sie ihr Stimm­chen erheben, kam die Energie für den empörten Höhenflug.
Armand liebte diese Empörung, er begehrte Frauen besonders heftig, wenn sie mit blitzenden Augen auffuhren. Er besänftigte ihren Zorn so weit, daß die Demütigung gesühnt war, aber eben nur so weit, daß noch genug Schmähungen auf ihn niederprasselten, auf den Lumpenkerl, der sie so hereingelegt hatte, daß der Aufwind für einen Scheinkampf mit wohl­dosiertem Widerstand noch ausreichte.
„Will ich Plätzchen backen? Oder Blockflöte spielen?“ fragte er, wenn seine Freundinnen etwa Kerzenlicht für angesagt hielten und eine Schmuseplatte rotieren ließen, „das Leben ist Kampf, eine stimmungsvolle Kuschelstunde ist der Tod, vor allem, wenn arrangiert.“ Armand liebte an den unpassendsten Orten und zu den unpassendsten Zeiten — oder machte da wenigstens den Anfang. Er vertrat die Ansicht, ein Softie sei ein Mann, der einer Frau zuliebe seinem Sexus zu befehlen versuche; ein Macho dagegen gehorche seiner Natur und verlange daher von der Frau Anpassung. Darum führe Softietum früher oder später zu Siechtum und Impotenz...

2

Wo findest du den Jüngling?

Richtig. Vor dem „Eisberg“, dem Treffpunkt der Jugend an den im­mer noch sommerlich heißen Septembertagen. Da pirschte sie sich von hinten an ihn heran, wie er eben zierlich sein Eis bändigt, und murmelt so, daß niemand sonst es hört: „Gehn wir zu dir oder zu mir?“
Bedächtig und ohne sich von seinem Eis abzuwenden, antwortet er: „Aber ich wohne in Ellerbach.“
„Und?“
Junger Mann, Aquarell
Er hebt den Blick, den er fast die ganze Zeit auf sein Eis gerichtet hat, der nur mal unsicher von der Seite zu ihr hinflatterte, und hat ver­loren. Sternchen?? Dies ist die Aurora, der Panzerkreuzer, der seinen Widerstand niederschießt, Sturm auf den Winterpalast, das Ende des Zarewitsch.
Die ganze Zeit, als sie es taten, hat er gezittert. Er muß ihr nicht ver­raten, daß es das erste Mal ist. Was bleibt ihm anderes übrig, als auf dem Rüc­ken zu liegen wie ein Käfer und sei­nen Succubus machen zu lassen.
Nach und nach faßt er sich ein Herz, sie anzusehen und anzu­fassen: „Wo ist der Leberfleck?“
„Bluff nicht!“ lacht sie, „ich habe keinen.“
„Schade. Wir brauchen einen Schönheitsfehler, sonst kann ich dich nicht lieben.“
Überrascht hebt sie den Kopf.
„Wie meinst du das?“

„Meine Geliebte darf nicht per­fekt sein.“
Wieder lacht sie.
Da sieht er, daß ihre Zähne ein wenig schief sind, der eine Schneide­zahn tritt etwas hinter den anderen zurück. „Das ist es!“ Er zeigt begeistert darauf. Verschämt preßt sie die Lippen zusammen.
Sie geniert sich manchmal zu lächeln. Aber dazu wird Joschi sie schon bringen.
Sie sind allein in der riesigen Villa. Der Flieger der Alten wird morgen vormittag landen. Joschis großer Bruder schläft im Wäldchen am Fluß. Und Suse verwüstet das arme Kind bis zur Bewußtlosigkeit.
 Josef! Wir sind wieder da!“ —
Hah! Oh, Gott! Suse!
Suse ist schon weg. Joschi hat geschlafen wie tot. Die Mama macht eloquent Frühstück. Madrid und Barcelona rauschen auf ihn nieder samt überwältigender Schönheit und aufregenden Pannen. Ein großes Früh­stück soll es geben. Joschi sitzt im Morgenrock in der Küche, unge­wa­schen, Haare wie ein Vogelnest. Papa kommt herein: „Und du, Josef, ziehst dich jetzt ordentlich an, wir wollen ein schönes Wieder­sehens­früh­stück mit dir feiern, und du wirst in einer halben Stunde gepflegt aussehen, wie du das machst, ist mir egal.“
Na, gut. Das Bad ist mein. Joschi schließt sich ein, bedauert ein wenig, Suses Geruch von sich abzuwaschen, aber bei Gelegenheit wird man dieses Parfum wieder tragen. Er duscht, er kämmt sich einen strammen Pferdeschwanz. Dann plündert er Mamas Seite des Spiegelschranks. Ist das eine Vitaminbar oder eine Galerie Nagellack? Candy Peach, Raspberry Frost, Burgundy Grape… Josef entscheidet sich für Deep Cherry. Und Lavender Sun für die Augenlider. Wie macht sie das mit der Wimpern­tusche? So wohl… Hm. Nicht schlecht.
Bißchen blaß noch, der junge Mann. Was für Obst gibt es dage­gen? Apricot Glow, sagen wir mal. Gepflegt genug, Vater?
Nun noch Mamas Seidenkimono.
Papa macht gerade den Champagner auf, als Joschi wieder runter­kommt. Lachs und feine Käse, Baguettes, Salat und Kaviar hat die Mama schon aufgetischt, gleich kann’s losgehen.
Joschi tritt in die Schiebetür.
„Mama, Papa, ich muß euch was erzählen. Gestern, am Vorabend meines sechzehnten Geburtstages, hat mich eine verschleierte Frau über­fallen und vergewaltigt. Ist das nicht wunder-wunderschön?“

Tag 31: Was sind deine nächsten Ziele, und welche Schritte stehen dir als Nächstes bevor?

  #charactersofoctober #desschreiberswildeträume Fido: Mein Ziel ist es, den Kurs der Annäherung von Menschen und Thieren weiter zu verfo...