Diese Zeitung ist offensichtlich ein Sprachrohr der Putinisten.
»Das russische Militär werde NATO-Waffentransporte in der Ukraine als zu zerstörende Ziele betrachten.«
Das ukrainische Militär
betrachtet Waffentransporte aus Russland ebenso als zu zerstörende
Ziele, und es ist weitaus effizienter darin als die Russen. Auf der
Seite »Oryx-Ukraine«
findet sich eine minutiöse und dokumentierte Auflistung aller
zerstörten Materialien mit Videos und Fotos.
Die Zerstörung
der Infrastruktur ist nicht die Folge der westlichen
Waffenlieferungen, sondern gehört zu den russischen
Kriegshandlungen, die vermutlich schon vor Beginn der Invasion für
den Fall vorgesehen waren, dass es Widerstand gab, aber das war der
weniger wahrscheinliche Plan B, wenn man von der strategischen
Fehlerhaftigkeit ausgeht.
Die Eskalationsspirale wird nicht
»weiter gedreht«, sondern es handelt sich um einen bewaffneten
Überfall ohne vorherige Kriegshandlungen der Ukraine. Die Unruhen in
den Gebieten Donezk und Luhansk sind eine innere Angelegenheit der
Ukraine, zu der man schlecht getarnte Partisanenkräfte geschickt
hat, die illegal in die Ukraine eingedrungen sind. Somit sind
bewaffnete Handlungen der ukrainischen Regierung die Niederschlagung
eines von außen befeuerten Aufstands, in keinster Weise eine
Aggression gegen Russland. Eine solche hat es selbst nach der
Annexion der Krim – ein eklatanter Völkerrechtsbruch – nicht
gegeben.
»Nicht nur diese Männer starben. Wie in jedem Krieg sterben Zivilisten.«
Das ist richtig. Wobei die
absichtliche Tötung von Zivilisten ein Kriegsverbrechen ist. Die
Beweise für Kriegsverbrechen sind bereits zahlreich und werden
täglich weiter gesammelt. Auf ukrainischer Seite gibt es
Kollateralschäden, aber bei weitem nicht so viele wie unter den
ukrainischen Zivilisten – und sollte es auch dort absichtliche
Tötungen von Zivilisten geben, wovon ich bisher nicht gelesen oder
gehört habe, dann wird auch da selbstverständlich Gerechtigkeit
walten. Was aber sicher ist und wofür die Beweise erst gesammelt
werden, sind die Verbrechen, die da begangen werden, wo die Russen
die Oberhand haben oder hatten. Hier sind vor allem zu nennen:
Verschleppungen – Zivilisten werden ins russische Reich gebracht,
ohne dass sie wissen, wohin und ohne nach Osten fahren zu wollen. Wer
aus existenzieller Bedrohung gerettet wurde, hat keine Wahl.
Vergewaltigungen sind ebenso wie in vielen früheren Kriegen
von oben geduldet und sollen vor allem den Gegner demütigen, dem
dadurch gezeigt wird, dass die Männer ihre Frauen nicht schützen
können.
Gewalttätige Verhöre und Folter. Die Flüchtlinge,
die ins russische Gebiet verschleppt werden, werden selektiert. Bei
manchen verraten Tätowierungen die Zugehörigkeit zu ukrainischen
Kampfbattaillonen; diese werden die Aussonderung vermutlich nicht
überleben.
Löst ein einseitiger Waffenstillstand Probleme? Pazifismus neu definiert
Der Glaube, irgendwer werde
verschont, wenn die Waffen sofort schwiegen, ist eine Illusion. Wir
haben gesehen, wie Russland mit seinen eroberten Landstrichen
umgeht.Wohnhäuser, Krankenhäuser, Schulen und Ladenzentren werden
unterschiedslos bombardiert, genau wie die Infrastruktur, Strom,
Eisenbahn, Kommunikation. Zivilisten werden wahllos erschossen. Sie
werden bewusst ohne Nahrung, Trinkwasser, Licht, Santärmöglichkeiten,
Medikamente und Kommunikation nach außen in Schutzräumen
eingesperrt.
Das wären die Konsequenzen einer Kapitulation.
Dies zuzulassen ist die bittere Folge eines gewohnheitsmäßig
denkenden und ungeprüft handelnden »Pazifismus«.
Die
amerikanische Folklore hat uns in unzähligen Westernfilmen
eingebimst, dass man verschont wird, wenn man die Hände hebt. Das
ist der tragische und scheinbar unausrottbare Denkfehler im deutschen
Pazifismus, verbunden mit dem zweiten Denkfehler, nämlich dass es
per se böse sei, bewaffnet zu sein. Eine große Zahl von Nationen
ist wehrhaft und hat doch niemals einen Angriffskrieg geführt. Oder
kann sich jemand daran erinnern, dass in diesem oder dem vorigen
Jahrhundert die Schweiz oder Finnland einen Angriffskrieg begonnen
hätten?
Wir Pazifisten müssen Pazifismus neu definieren. Der
Begriff muss auch die Möglichkeit enthalten, einem unschuldig
Angegriffenen mit Waffen zu Hilfe zu eilen. Das Eilen sehe ich nicht,
sondern nur Schuldzuweisungen an das Opfer. Das wird uns noch schwer
auf die Füße fallen.
In einem Krieg und unter der toxischen Propaganda Putins verlieren die Menschen ihren Gerechtigkeitssinn. Vielen Leuten, die man in russischen Städten befragen würde, ist nicht einmal klar, dass die Ukraine ein souveräner Staat ist wie -- sagen wir Japan oder Marokko. Sie sehen es nicht als feindlichen Übergriff, sondern als ordnendes Eingreifen mit Berechtigung.
Darum kommt so wenig Widerspruch aus der Bevölkerung.