Freitag, 13. Mai 2022

Meine Gedanken anlässlich eines Artikels in "Unsere Zeit"

 

 Diese Zeitung ist offensichtlich ein Sprachrohr der Putinisten.

»Das russische Militär werde NATO-Waffentransporte in der Ukraine als zu zerstörende Ziele betrachten.«

Das ukrainische Militär betrachtet Waffentransporte aus Russland ebenso als zu zerstörende Ziele, und es ist weitaus effizienter darin als die Russen. Auf der Seite »Oryx-Ukraine« findet sich eine minutiöse und dokumentierte Auflistung aller zerstörten Materialien mit Videos und Fotos.
Die Zerstörung der Infrastruktur ist nicht die Folge der westlichen Waffenlieferungen, sondern gehört zu den russischen Kriegshandlungen, die vermutlich schon vor Beginn der Invasion für den Fall vorgesehen waren, dass es Widerstand gab, aber das war der weniger wahrscheinliche Plan B, wenn man von der strategischen Fehlerhaftigkeit ausgeht.
Die Eskalationsspirale wird nicht »weiter gedreht«, sondern es handelt sich um einen bewaffneten Überfall ohne vorherige Kriegshandlungen der Ukraine. Die Unruhen in den Gebieten Donezk und Luhansk sind eine innere Angelegenheit der Ukraine, zu der man schlecht getarnte Partisanenkräfte geschickt hat, die illegal in die Ukraine eingedrungen sind. Somit sind bewaffnete Handlungen der ukrainischen Regierung die Niederschlagung eines von außen befeuerten Aufstands, in keinster Weise eine Aggression gegen Russland. Eine solche hat es selbst nach der Annexion der Krim – ein eklatanter Völkerrechtsbruch – nicht gegeben.

»Nicht nur diese Männer starben. Wie in jedem Krieg sterben Zivilisten.«

Das ist richtig. Wobei die absichtliche Tötung von Zivilisten ein Kriegsverbrechen ist. Die Beweise für Kriegsverbrechen sind bereits zahlreich und werden täglich weiter gesammelt. Auf ukrainischer Seite gibt es Kollateralschäden, aber bei weitem nicht so viele wie unter den ukrainischen Zivilisten – und sollte es auch dort absichtliche Tötungen von Zivilisten geben, wovon ich bisher nicht gelesen oder gehört habe, dann wird auch da selbstverständlich Gerechtigkeit walten. Was aber sicher ist und wofür die Beweise erst gesammelt werden, sind die Verbrechen, die da begangen werden, wo die Russen die Oberhand haben oder hatten. Hier sind vor allem zu nennen: Verschleppungen – Zivilisten werden ins russische Reich gebracht, ohne dass sie wissen, wohin und ohne nach Osten fahren zu wollen. Wer aus existenzieller Bedrohung gerettet wurde, hat keine Wahl.
Vergewaltigungen sind ebenso wie in vielen früheren Kriegen von oben geduldet und sollen vor allem den Gegner demütigen, dem dadurch gezeigt wird, dass die Männer ihre Frauen nicht schützen können.
Gewalttätige Verhöre und Folter. Die Flüchtlinge, die ins russische Gebiet verschleppt werden, werden selektiert. Bei manchen verraten Tätowierungen die Zugehörigkeit zu ukrainischen Kampfbattaillonen; diese werden die Aussonderung vermutlich nicht überleben. 

Löst ein einseitiger Waffenstillstand Probleme? Pazifismus neu definiert

Der Glaube, irgendwer werde verschont, wenn die Waffen sofort schwiegen, ist eine Illusion. Wir haben gesehen, wie Russland mit seinen eroberten Landstrichen umgeht.Wohnhäuser, Krankenhäuser, Schulen und Ladenzentren werden unterschiedslos bombardiert, genau wie die Infrastruktur, Strom, Eisenbahn, Kommunikation. Zivilisten werden wahllos erschossen. Sie werden bewusst ohne Nahrung, Trinkwasser, Licht, Santärmöglichkeiten, Medikamente und Kommunikation nach außen in Schutzräumen eingesperrt.

Das wären die Konsequenzen einer Kapitulation.
Dies zuzulassen ist die bittere Folge eines gewohnheitsmäßig denkenden und ungeprüft handelnden »Pazifismus«.
Die amerikanische Folklore hat uns in unzähligen Westernfilmen eingebimst, dass man verschont wird, wenn man die Hände hebt. Das ist der tragische und scheinbar unausrottbare Denkfehler im deutschen Pazifismus, verbunden mit dem zweiten Denkfehler, nämlich dass es per se böse sei, bewaffnet zu sein. Eine große Zahl von Nationen ist wehrhaft und hat doch niemals einen Angriffskrieg geführt. Oder kann sich jemand daran erinnern, dass in diesem oder dem vorigen Jahrhundert die Schweiz oder Finnland einen Angriffskrieg begonnen hätten?
Wir Pazifisten müssen Pazifismus neu definieren. Der Begriff muss auch die Möglichkeit enthalten, einem unschuldig Angegriffenen mit Waffen zu Hilfe zu eilen. Das Eilen sehe ich nicht, sondern nur Schuldzuweisungen an das Opfer. Das wird uns noch schwer auf die Füße fallen.

In einem Krieg und unter der toxischen Propaganda Putins verlieren die Menschen ihren Gerechtigkeitssinn. Vielen Leuten, die man in russischen Städten befragen würde, ist nicht einmal klar, dass die Ukraine ein souveräner Staat ist wie -- sagen wir Japan oder Marokko. Sie sehen es nicht als feindlichen Übergriff, sondern als ordnendes Eingreifen mit Berechtigung.

Darum kommt so wenig Widerspruch aus der Bevölkerung.

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