Donnerstag, 8. März 2018

Homsarecs! Band 2: Der Doge & sein Sklave




Die Homsarecs haben erkannt, dass die Leute des neuen Dogen ihnen ihre Hauptstadt aus den Händen winden. Sie werden kämpfen müssen. Als Vorbereitung unterbrechen sie die Stromzufuhr und den Handy-Verkehr in der Stadt, indem sie eine "Nacht der Romantik" ausrufen, in der nur Kerzen brennen sollen.
___________________________________________

Ameisenhaft sind die Amazonen ausgeschwärmt. Pax hört ihren Befehl. Sie seilt sich aus dem Fenster ab. Zum Teufel mit dem Arbeitsvertrag. Sie hat sich mit einem Tee ge­stärkt, der in diesem rätselhaften Kerzenpaket war, das in der Küche ihres Puffs steht. Der tat gut und hat ihr die Stimmung ein wenig aufgehellt. Und kaum, daß sie ihn ausgetrunken hat, hört sie ihren Marschbefehl. Sie fühlt sich für die Nacht erwachen wie eine ausge­wilderte Pantherin. Sie zieht die Luft der dunkelnden Stadt in die Nüstern und erschau­dert vor Glück. Jetzt ist sie wieder in ihrer Amazo­nentracht und mit Bogen über der Schulter, Wurfbeil und Köcher an der Hüfte aufgerüstet.
Die Neonlichter sind aus. Sie ahnt, was das heißt. Und halleluja, die Stimme des Königs ist laut und vernehmlich.
„Mädels mit und ohne Schwanz! Rafft eure Röcke! Die Zeiten des Duckmäusertums sind vorbei. Ihr seid wieder da, ihr stolzen Homsarecs. Kämpft! Kämpft! Kämpft! Schluß mit dem Gejammer! Und wenn euch warm wird: Nein, das ist nicht der Zustand, das ist der gute alte Joy de Guerre. Fürchtet euch nicht vor den Rotten, die werden durch Befehle per Handy gelenkt, und die Handys sind heute tot! Pax! Rauf auf den Dach­boden, die Kameradin wartet. Scheiß auf Spielzeug, es geht um Leben und Tod. Ich bin Aimoré von den Nachtschwalben. Ich werde euch strategisch führen. Das ist meine Sühne. Ich liebe euch. Sukent soll frei sein! Olsun — olsun — olsun!“
Das Dreifache Siegel. Er meinte es ernst.
Mit der Sicherheit des Wissens von selbst tauchte sie in einen Hintereingang, lief die Treppen hinauf, hörte ein Flüstern in der Finsternis: „Schwester, willkommen!“ — „Ruradix?“ — „Ja! Und du bist es, Pax?“
Die andere hatte eine Zange, knipste Kabel durch, Pax riß weitere mit den Händen raus, soweit sie es konnte. Sie faßten sich bei den Händen und umarmten sich kurz, dann ging es Hand in Hand hinauf aufs Dach und zum nächsten Gebäude.
Im schwachen Restlicht sahen sie andere laufen, die das gleiche taten wie sie.
***

Tanguta ging als erster. „Für kleine Eiderenten.“ Also folgte ich recht bald, ging „für kleine Kraniche“ und sah, wie er gerade splitternackt den Hinterausgang verließ, nur die Stiefel hatte er an. Vanessa hatte noch gerügt, die paßten überhaupt nicht zum Abendanzug. Seine Kleidung hing in der Garderobe. Alles.
Ich tat es ihm nach und schlüpfte in der gleichen Uniform nach draußen.
Weitere folgten uns. ‚Der Bankettsaal dürfte sich lichten‘, dachte ich. Wir trafen an der Ecke einen Trupp, der uns mit Bogen, Pfeilen, Wurfbeil und Gürtel ausstattete. In allen Kanälen fuhren scheinbar harmlose Lieferbarken, solche, wie sie sonst in den Nachtstunden Brot brachten und andere Lebensmittel von den Inseln, aber jetzt kamen damit Krieger mit Bögen, Pfeilen, Wurfäxten, Blasrohren.
Zwei der Damen hatten offenbar Harness und Chaps unter dem Abendkleid getragen. Und Stiefel. Auch sie bekamen nun Waffen. Und Farbtiegel hatten sie auch im Gepäck.
Ich zog mir rasch ein paar schwarze Streifen durchs Gesicht und machte Tanguta die Gesichtsmaske mit senkrechten roten Wellen, die aussahen wie fließendes Blut.
Wir gaben uns den Kriegerkuß, das ist ein liebevoller Biß ins Ohr, in die Wange oder ins Kinn, je nachdem, was der andere anbietet, und dieser Biß ist so stark und blutig, daß wir auf der Stelle in Joy de Guerre kommen. Und auch mit ganz Fremden tauschte ich den Kriegerkuß. 
Erstes Kampfziel war Schutz von bedrohten Häusern und ihren Einwohnern und/ oder Kulturgütern. Zweites Kampfziel war die Festnahme der Rottenführer und — wenn möglich — des neuen Dogen selber. Der würde sich bald zu seinen Truppen begeben. Denn wenn er nicht selber einstand für seinen Anspruch auf den Thron, würde das Volk ihn nicht als Dogen akzeptieren. Und der wurde ja neuerdings vom Volk gewählt.
Und wenn die Cros das nun anders sahen? Vielleicht erwarteten sie gar nicht, daß er ein Kriegerdoge sein sollte?
Wie auch immer. In unseren Augen würde Taguta ihn vorführen, wenn er nicht selber kämpfte. Vielleicht waren wir naiv, aber wir hatten da immer noch mittelalterliche Vorstellungen.
Unser drittes Kampfziel würde sein, die Sala de Thing* zusammenkommen zu lassen, nachdem der Kampf militärisch entschieden wäre, und ich zweifelte nicht an unserem Sieg, denn wie ich hörte, waren von allen Seiten Brüder auf dem Weg zur Stadt, die aus dem Umland und den Nachbarländern kamen. Fischer erboten sich, sie zu fahren, private Yachten machten Fährdienste. Wir fragten nicht, warum die Bereitschaft so groß war, wir hatten anderes im Kopf.
Wir hatten Warnungen gehört, wir sollten uns vor den privaten Wachdiensten der Firmen in Acht nehmen. Sie seien teils besser ausgestattet und bezahlt als die Leute Tarfurs. Hailberg Saatgut und Gen-Patente, Hatchbit Kindernahrung, Banco Leonalato und Stimudolce Getränke waren die Größten unter ihnen. Mag sein, daß sie sich tagsüber wichtig machten und auch mal jemanden einschüchtern konnten; jetzt war von ihnen nichts zu sehen. Mit Sicherheit hatten sie jedoch diese hochmodernen Waffen und Sichtgeräte gesponsert.

Und schon tanzt ein roter Suchstrahl auf Tangutas Brust, weicht nach rechts aus, zaudert, läßt uns genug Zeit abzutauchen, und der Schuß schlägt oberhalb von Tanguta in die Mauer ein. Aha, es funktioniert. Es liegt an Joy de Guerre. Wir schleudern unsere Hitze in die Gegend wie die Sonne ihre Protuberanzen, das Suchgerät erkennt nur strahlende Fetzen, die Konturen der Person selbst sind nicht klar erkennbar. Die Gestalt scheint über ihrem tatsächlichen Standort zu stehen, befindet sich mal rechts, mal links in dem wabernden Lichthaufen. Es mußte schon sehr, sehr viel Pech sein, wenn einer von uns getroffen würde. Bei der Multischuß-Funktion hätten wir schlechte Karten gehabt. Dann hätten wir gleich in den Nahkampf gehen müssen, um die Waffen zu erbeuten. Das wäre verlustreich geworden.
Wir schreien unisono den Kriegsschrei. Wir sind eine größere Gruppe, ich stelle mich vor Tanguta, als noch weitere Projektile neben und über uns einschlagen. Mein Zielgerät ist bestens in Ordnung, ich schleudere mein Beil in Richtung des Angreifers. Ich sehe es gemächlich zu ihm hinschweben. Die Zeit dehnt sich, wenn du auf Joy bist. Aber eben nur für uns. Noch ein Vorteil.
Endlich kommt mein Beil an und trifft dumpf mit der stumpfen Seite auf. Wie geplant. Der Helm fehlt ihm schmerzlich.





_________________________________
* Das Parlament der Stadt



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Ich freue mich auf Deine Meinung!

Tag 31: Was sind deine nächsten Ziele, und welche Schritte stehen dir als Nächstes bevor?

  #charactersofoctober #desschreiberswildeträume Fido: Mein Ziel ist es, den Kurs der Annäherung von Menschen und Thieren weiter zu verfo...