Freitag, 16. März 2018

Der Doge und sein Sklave


Am Abend des darauffolgenden Tages rief Josef die Bewohner des Hauses zusammen. Er erklärte, daß Pitro ganz offiziell seine Hilfe an­ge­boten hatte, um Sukent wieder aus der Hand des Usurpators zu befreien.
Ungläubiges Kopfschütteln war bei vielen die Reaktion. Maurice blickte versteinert drein, und auch Cochise, Spex, Freydux, Tecumseh, Dario, Pandor, Heathea tuschelten unter­ein­ander. Lux und Marix schüttelten stumm vor Wut die Köpfe und preßten die Lippen auf­einander.
„Er hatte in der Nacht eine lebensbedroh­liche Krise“, sagte Ainu auf einen Blick, den er mit Josef tauschte, „er bekam keine Luft, hatte Herzprobleme, Mato Sapé war da und hat ihn eben noch dem Tod von der Schippe gezogen. Pitro sagte mir danach, der Tod ist der beste Missionar, er bekehrt dich in einer Nacht.“
„Ist er fähig, unserer Versammlung beizu­wohnen?“
„Ja, es geht ihm einigermaßen.“
„Bringt ihn her“, verlangte Tanguta. Vier starke Männer waren rasch gefunden, die ins Haupthaus gingen und die Hängematte an vier Enden faßten und sie mitsamt Inhalt ins Gar­ten­haus brachten, dessen Stützpfeiler gut ge­eig­net waren, um die Seile daran zu befestigen.
Weitere Mitwirkende an dieser Konferenz tra­fen ein, die Leute aus Leßweiler, die Amazonen aus anderen Kommunen, auch Kúsali und Khorasan scharten sich um den Dogen. Schließlich waren mehr als 30 Personen versammelt.
Ich trat vor und sprach die Begrüßung, wie man es vom Hausherrn erwartete. Pitro lag mit geschlos­senen Augen da; er sah elend aus. Ainu brachte den Sauerstoff, der immer wieder mal benötigt wurde. Wir lauschten, ob zynische Sprüche kämen, wie wir es nun gewohnt waren, aber er schwieg, war matt und verschlossen.
Die Kraft seiner Stimme war gering, ich ließ alle näher­rücken. Das Stimmengewirr ver­stumm­te.
Ich richtete seinen Oberkörper noch ein Stück auf und stopfte ein großes Kissen hinter seinen Rücken.
„Leute“, sagte er, „wir haben es mit einer gro­ßen Gefahr zu tun. Es geht nicht nur um ein biß­chen Lebens­stil, es geht um das Leben der Homsa­recs, die in Sukent leben, und das betrifft die ganze Cultura. Ich schulde euch all meine Kraft und mein Wissen. Und ich weiß viel. Ich werde euch alles sagen, was euch helfen kann. Ich weiß, viele von euch trauen mir nicht. Das ist verständlich.“
Er pausierte, und Ainu setzte ihm für ein paar Minuten die Sauerstoffmaske auf.
„Sukent ist in der Hand von Leuten, die auch meine Fein­de sind, die mein Leben und meine Familie zerstört haben. Ich will einen heiligen Eid ablegen, euch zu helfen, auf eurer Seite zu sein, und ich werde mein Leben dafür verpfänden, daß ich ihn halte.“
Das war durchaus kein Spruch, denn in alten Zeiten waren die Brecher großer Schwüre zuverlässig gestorben, sei es, daß sie selbst Hand an sich legten, sofern sie Cro waren, sei es, daß rätselhafte Krankheiten oder Unfälle sie dahinrafften.
Gemurmel erhob sich. Rufe wurden laut, die seine Glaubwürdigkeit anzweifelten.
Maurice meldete sich zu Wort. „Geht es dir wirklich um uns oder um deine eigene Rache?“ fragte er.
„Du hast recht, ich hasse Tarfur“, gab Pitro fast flüsternd zu, „aber ich habe die Cultura lieben gelernt. Und wenn es nur die Pflege wäre, die ich durch euch erfahre, wenn ich nichts sonst über die Cultura wüßte — wie sie ihren Feind pflegen, das macht sie tausendmal schützenswerter für mich als die jetzt in Sukent herrschenden Kräfte.“
„Was wollen sie?“ fragte ich entgeistert.
„Das, worauf ihr so wenig Wert legt. Geld. — Ihr seid ihnen egal.“
„Glaubt ihm! Fragt ihn, wer König ist!“ kam ein Ruf aus dem Off. Ich sah die ande­ren an. Sie rissen die Augen auf.
Ich wandte mich Pitro zu: „Hast du das gehört?“
„Ja, Dominus“, sagte er, und das war das erste Mal, daß ich von ihm Respekt erfuhr.
„Wer ist König?“ fragte ich ihn so laut, daß es alle hören konnten.
„Kúsali“, sagte er.
„Richtig“, antwortete die Basilosphäre.
Kúsali verteilte gerade Tee und wirkte nicht so, als ginge ihn das was an.

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