Isegrim schreibt Perkeles Erinnerungen auf
Er will mir seine Erinnerungen an sein Heiliges Koma diktieren, wie sie jetzt diesen Zustand nach dem ‘Zustand’ nennen.
»Wie? Du hast Erinnerungen?«
»Ja, es gibt welche. Natürlich nicht an alles. Aber was da war, das möchte ich von dir aufgeschrieben haben. Du hast eine schöne Schrift...«
»Naja, nicht immer, zuletzt war es nicht so doll...«
»Wie du sagtest, war das Erschütterung.«
»Ja, als ich noch nicht wusste, dass du lebst, war ich am Ende.«
»So eine Liebe...« murmelt er.
Ich habe also einen kleineren Tisch unter den Apfelbaum geschleppt, wo Perkeles Liegestuhl steht, einen Stuhl und Schreibsachen, Papier, Federhalter und Tintenfass. Ich finde sogar noch Gänsekiele, aber das Zuschneiden der Feder hält doch sehr auf, also nehme ich die Stahlfeder. Und natürlich ist da auch der feine Sand, den man zum Ablöschen der Tinte braucht.
»So, kann losgehen.«
PERKELES DIKTAT
»Bereket, einstmals Perkele, der Anführer der Bémishen Brieder, berichtet das, was ihm geschah, als er im Heiligen Koma lag, folgend auf unseren Fluch, den ‘Zustand’, in den ich fiel, in dem ich glaubte, mein Ende sei gekommen. Es ging schneller als gedacht, mir blieb nicht die Zeit, mich von meinen Frauen und den Kindern zu verabschieden. Denn während ich mich noch darauf vorbereitete, schon kochend in der Glut, während ich alles in Rot getaucht sah, vor Rauschen der Ohren kaum noch ein Wort verstand und Flammen vor meinen Augen tanzten, war ich in meiner Kammer und hatte die Kraft nicht mehr, zu ihnen zu gehen. Ich hörte die flehende Stimme meines geliebten Serf Isegrim, der die Wächterin bat, noch einmal ein Ritual zu versuchen, dann war da nur noch Rauschen, Prasseln und ein rotes Zucken vor meinen Augen. Möglich, dass man mich griff und forttrug, vielleicht war da ein Motorengeräusch, ein Rütteln; alles das war weit von mir, und nur das Höllenfeuer brannte und versengte mir die Lippen. Der Ring an meinem Glied war wie rotglühend. Meine Ohrringe brannten. Ich wollte nach Luft schnappen, fürchtete zu ersticken, war aber nicht in der Lage zu atmen. Der Durst war unerträglich, ich war nicht fähig, mich zu bewegen, wusste nicht einmal, ob ich bei Bewusstsein oder in einem bösen Traum war. Das Rot wurde immer heller, es blendete mich, und ich kann nicht sagen, wie lange das anhielt. Mir war, als würde ich fallen, ich sank in rasendem Tempo rückwärts, abwärts. Mein Kopf drehte sich immer schneller.
Dann war es dunkel. Ich weiß nicht, wie lange ich ohne Wahrnehmung gewesen bin. Ich trieb tief im Dunkel. Im Großen Yin, so nannte ich es, ohne zu wissen, was damit gemeint ist. Es war wie in der Tiefe des Ozeans. Der Durst hatte nachgelassen, das Rauschen in den Ohren war weniger. Die Dunkelheit beruhigte mich, denn es war kühl um mich.«
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