Donnerstag, 18. Januar 2018

Aus "Der Doge und sein Sklave"

Homsarecs Band 2

Tanguta ist der Doge von Sukent, und die Homsarecs haben eine Nacht lang gegen die "Rotten" Krieg geführt. Sie beißen sich gegenseitig, um sich in Joy de Guerre zu bringen, in den kriegerischen Rausch; das nennen sie den "Kriegerkuß".
Der Kamerad des Dogen, der hier in der Ich-Form erzählt, ist Isatai.
************************************************


Die Leistung, die Pitro in dieser Nacht erbrachte, die Koordination der Kampfgruppen und die Voraussicht von kommenden Gefahren, war überirdisch. Das alles tat er mit Hilfe seines visuellen Gedächtnisses. Und weil er so tief im Kreis ist wie jeder von uns. Er hörte alle unsere Meldungen und schickte die Gruppen hierhin und dorthin. Ich staunte. Der Mann ist ein Genie. Ein böses Genie, aber ein Genie.
Nun ging es aber erst einmal mit den Abgeordneten, die wir sämtlich aus ihren Wohnungen geholt hatten, zum Sitzungssaal. Wir wollten noch in dieser Nacht einen Beschluß erwirken, der das neue Gesetz über die Dogenwahl wieder außer Kraft setzte.
Ich hatte ein verlorenes Nachtsichtgerät gefunden und sah mir unsere Krieger da­durch an. Tatsächlich. Eine psyche­deli­sche Light-Show, aber kein zieltechnisch erfaß­bares Bild. In den Minuten nach dem Tod Tarfurs hatte ich Tanguta nicht mehr aus den Augen gelassen. Ich befürchtete Racheakte. Ich blieb den Rest der Nacht sein Body­guard. Ich merkte erst später, daß ich mehrere Streifschüsse, viele Abschürfungen, Prellungen und, beim Einschlagen eines Fensters, einige Glas­splitter kassiert hatte.
Ich ließ mich auf der Gasse von einem ambulanten Sani­täter verarzten, desinfizieren und mit ein paar Pflastern bekleben. Ich war schwarz und rot beschmiert wie ein Teufel. Gut, daß mich nie­mand sah, der mir bislang vertraute. Ich war erschöpft, aber ich ließ es mir nicht nehmen, mit in die Sala de Thing zu kommen. Tanguta sah ähnlich aus wie ich. Im Neben­raum des Sitzungssaals, in der Garderobe, gab es eine Dusche, dort duschten wir gemeinsam, um Zeit zu sparen. Die Kriegsbemalung — oder was davon übrig war — strömte schwarz­rot über den gekachelten Boden. Ich leckte seinen Streifschuß und sein Ohr. Er leckte die Bisse an meiner Wange, die ich ihm verdankte. Und mir wäre fast lieber gewesen, ich hätte Narben be­hal­­ten. Ich küßte ihn. Mir platzte fast das Herz vor Liebe zu ihm. Wir waren beide steif, das bringt Joy de Guerre oft mit sich.
Und da sah ich das Lächeln meines Vaters, wenn er nach Kämpfen wieder zu Hause war. Wie er uns alle anschnauzte, wenn er noch ‚drauf‘ war. Wir wußten schon, daß er es nicht so meinte. Und wie er lachte, wenn Mama ihn auffing, auch sie noch berauscht, es war dasselbe Lächeln, das er auf dem Gesicht hatte, als er starb. Und er hatte diese feinen Strich­narben am Arm, Kerben für getötete Feinde.
Die Erinnerung überwäl­tigte mich, und ich fand mich weinend an die gekachelte Wand gelehnt, als Tanguta das Wasser zudrehte.
„Ein Hypermem“, sagte ich entschuldigend.
„Das gibt es oft nach dem Kampf“, antwortete er.
„Gut, daß das jetzt passiert“, setzte ich hinzu, „und nicht mitten im Kampf…“
„Es kann nicht passieren, wenn du mitten im Kampf bist“, erklärte er.
„Du kennst das?“
„Ja, klar.“
Wir nahmen uns Lendentücher aus dem Schrank, dunkel­blaue für städtische Serfs, mit dem Aufdruck „proprietà Ducale di Sukent“, wir kicherten beide über diesen Einfall wie die kleinen Schuljungen, und nie­mals war uns ein Gewand pas­sender erschienen.
Dann gingen wir in den Sitzungssaal. Tanguta wurde von den Amazonen mit schrillen Jubelrufen em­pfan­gen. Ein wenig mochten sie auch mir gelten, kann sein.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Ich freue mich auf Deine Meinung!

Tag 31: Was sind deine nächsten Ziele, und welche Schritte stehen dir als Nächstes bevor?

  #charactersofoctober #desschreiberswildeträume Fido: Mein Ziel ist es, den Kurs der Annäherung von Menschen und Thieren weiter zu verfo...