Mittwoch, 1. November 2023

16. Tag: Was würdest du niemals verzeihen?

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Fido: Heute antworte ich einmal an Stelle meines lieben Hieronymus, weil der alles verzeiht und daher der Beantwortung entbunden ist.


Hieronymus: Mir würde vielleicht etwas einfallen, aber ich muss lange nachdenken...

Fido: Tu das, inzwischen unterhalte ich mich mit diesem verdammt schneidigen Marquis. Eine Augenweide von Mann... Jaja, Roni, er kommt gleich nach dir, mein Schatz. -- Also: Ich kann nicht verzeihen, wenn jemand uns Thieren gegenüber hinterlistig ist. Man weiß vielleicht, dass wir Thiere telepathisch kommunizieren, wenn wir einander nicht nah genug sind, um zu sprechen. Das heißt natürlich, dass es unsinnig ist, wenn wir einander belügen würden, wir durchschauen das. Nun kann man sich auch dagegen verschließen, "gelesen" zu werden. Das gilt unter uns als unhöflich. Die meisten Nicht-Thiere wissen nicht, wie das geht. Viele wissen auch nicht, dass wir sie lesen. Wir sind gutwillig, aber oft auch naiv, das weiß ich von Hieronymus und auch von dem Popen, der mich von meinem 7. bis zum 14. Jahr erzogen hat.

Wenn aber einer sich gegen uns verschließt und uns dann in die Irre führt, böse Absichten versteckt, uns oder einem uns lieben Menschen zu schaden trachtet, während wir unsere Gedanken offenlegen -- dann hat er auf immer den Todfeind in uns.


Tag 15: Wenn du ins Exil müsstest, welches Land oder welcher Ort wäre für dich die schlimmste Strafe?

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Hieronymus:

Als Streiter für Schweden sah ich einige Orte in Teutschland, auch Österreich; später, nachdem ich dem Kaufmann in Lübeck diente, bereiste ich auch Orte, da der Dannebrog wehte, wie Altona oder Schleswig, doch dies nur kurz, da die Dänen wieder mit den Schweden aneinandergerieten. Um einige Waren in Sicherheit zu bringen, sandte mich mein Brotherr nach Estland, wo die Herrschaft Schwedens stabil war.

Nach Russland entführt, sah ich auch manche Orte im Norden des Zarenreichs, auch das große und mächtige Nowgorod ("weliki" heißet ja "groß"). Dort erfuhr ich jedoch eine Behandlung, nach der es mir nicht just glücklich schien, in diesem Lande zu weilen; und auch meine Verschleppung weiter in den Norden, wiewohl in der Gegenwart des schönen Aryol, machte die Sache nicht besser. Somit küre ich Russland als den Gewinner meiner Wahl des Landes, das zu meiden ich mich zuförderst bemühe.

 

Tag 14: Wann hast du unmoralisch gehandelt?

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Tag 14: Wann hast du unmoralisch gehandelt?

Als ich dem Charme von Aryol erlag. Ich hätte Ausreden, man hatte mich ins tief verschneite Dorf bei Ladoga verschleppt, wo dieser Mann lebte; von Fido getrennt zu sein, wäre nicht wirklich Grund genug gewesen. Aber wer jemals die ‘Thiere’ kennengelernt hat, der weiß, wie groß ihre Anziehungskraft ist, sie können dich geradezu hypnotisieren. Hätte ich einem anderen Mann widerstehen können, einem, der nicht zu den ‘Thieren’ zählt? Vermutlich. War ich moralisch geschwächt von den Ereignissen, die dem vorausgingen? Vermutlich.
Hätte ich dennoch widerstehen sollen, Fido treu bleiben, in aller Ungewissheit standhaft warten?
Ja.


 

Donnerstag, 12. Oktober 2023

Tag 13: Was ist deine gefährlichste Waffe?

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@Barbara Drucker/Aventiure Schreibcoaching

Hieronymus: 

Ich rühme mich keiner Waffen, auch wenn ich auf der Seite der Schweden mitfocht. Ich sah so vieles Blut, fühlte den Schmerz einer Kugel, die in mein Bein drang. Doch ward sie mein Schutz, sintemalen mein Kriegsdienst damit geendet. Von da an wusste ich mich zu schützen und bemerkte Gefahr, wenn noch kaum Anzeichen dafür erschienen.
Gefährliche Waffen habe ich nicht. Scharfer Spott zählet nicht. Wen das dazu bringet, mich auf den Paukboden zu rufen, der wird nicht nur von mir als Ridicule behandelt. Hier im Baltikum kennet man scharfe Wortgefechte, doch gilt als Verlierer, wer sich davon verletzen lässet, sondern scharf mit geistreicher Entgegnung zu parieren, ohne zu Beleidigungen Zuflucht zu nehmen, das ist die Waffe, die als Siegeszeichen anerkannt wird. Die Balten haben sogar ein Wort dafür, es heißet »pliggern«.


Tag 12: Was tust du, um deine Gedanken zu klären?

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Hieronymus: Muss man Gedanken klären? Ich glaube, meine sind immer klar -- oder doch die meiste Zeit. Vor allem, wenn es hell ist. Vor allem, wenn ich ein Warmbier und Hafergrütze zu mir genommen habe. Wenn die Schreibfeder gut geschnitten ist. Wenn das Licht gut ist. Und wenn ich dann beginne, die Schwünge und Arabesken zu machen, die ein Anschreiben an dero Exzellenz, den Kanzler von Schweden, den Onkel meines Brotherren zieren. Oder an den König von Frankreich. Da muss jeder Buchstabe sitzen. Brav, gleich hoch, in gleichen Abständen und mit gleichem Fluss der Tinte. Da wird das Schreiben zu Musik, immer gleiche, konzentrierte Schritte und doch auch ein wenig Gelöstheit, just wie beim Spielen der Laute. Was ich da schreibe?... Ach verzeiht, das weiß ich dann gar nicht mehr.

Tag 11: Welche Schwäche ist eine Tugend?

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Hieronymus Lohebrannt:
Der Mut eines mächtigen Mannes, sich zu seinen Gefühlen zu bekennen, zeigt seine Fähigkeit, auch mit den Untertanen milde zu verfahren.
Das wenigstens erfuhr ich, als mir der Gouverneur, also der Vizekönig von Schweden, seine Freundschaft antrug. Nicht nur, dass er mir das Du anbot und die Anrede ‘Gustaf’, ich durfte auch seine Tränen sehen und von seinem Kummer hören. Nur vier Jahre würde sein Gouverneursamt in Estland dauern. Er gestand mir, dass sein Weib, das ihm eben erst eine Tochter geboren hatte, ihm die Heirat übelnahm. Denn die Verbindung mit ihm habe eine Liebe zerstört. Er habe das Fräulein De la Gardie aus dem Bette und den Armen der schwedischen Königin gerissen und sie den Qualen der Niederkunft ausgesetzt.
Dass er mir dies anvertraute, war eine Last, die mich schier zu Boden drückte; doch wuchs ich in meine Aufgaben hinein. Sein Vertrauen beflügelte mich. Ich war es auch, der die Lösung für diesen Konflikt erdachte.
(Dieses Kapitel ist historischen Tatsachen angenähert)

Montag, 9. Oktober 2023

Tag 10: Welche Schwäche ist tödlich?


Hieronymus Lohebrannt:
Das Versagen des Selbstvertrauens, wie bei Aryol, als er sich töten wollte. 
 
Wir ‘Thiere’ sind gierige Wesen, nur von Verlangen getrieben, und das wird uns so viel Leiden verschaffen. Wem würde er opfern? An Götter glaubte er nicht. "Wir sind die göttlichen Thiere. Euch, Brüder, schenke ich mich."
Er ritzte sein Handgelenk an. Blut sprang hervor. Es rann auf den Waldboden. Sofort waren Ameisen da, sofort schwirrten Fliegen herbei und sammelten sich um die kleine Lache, die entstanden war. Zu ihm wollten sie auch, er wehrte sie ab.
‚Vielleicht ist das der Sinn meines verpfuschten Lebens‘, dachte er, ‚dann bin ich weg und kann das Leben der anderen nicht mehr ka­puttmachen. Und ein paar Wesen kriegen was zu essen. Ich müsste alle auf diese Weise füttern. Alle hungernden Wesen, Menschen und Tiere. Wir haben nur genommen. Nun ist es Zeit zu geben.‘
Er wusste, dass er nicht leicht sterben würde. ‚Um einen wie uns zu töten, muss man schon den Kopf abschlagen‘, dachte er mit einem grimmigen Lachen. Und er würde auch nicht leicht das Bewusstsein verlieren. Er würde also in der Lage sein, seinem Sterben in Ruhe zuzusehen, bis er jenseits von Rettung wäre, und dann käme wirklicher Schlaf, wirkliche Ruhe, das Ende von Leiden, Stille.
Er machte noch einen Schnitt.
 

 

 

Tag 9: Worüber lässt du mit dir nicht verhandeln?

 

 

 
Hieronymus Lohebrannt: Über Menschlichkeit. Die Barmherzigkeit und Nächstenliebe ist nicht käuflich. 
 
Man wollte von mir Unterstützung, um ein Dorf der ‘Thiere’ auszuheben, eine Gruppe, zu denen mein Geliebter Fido gehört.
Ich hörte eine Bemerkung des Dekans der Universität Dorpat: »Unser Kommandant und seine Leute haben einen Kundschafter gefunden, er wird uns zu dem versteckten Dorf führen. Es kommt mir sehr gelegen, dass Sie mit Musketieren und anderen Berittenen sowie einem Leutnant hier erschienen sind. Wir haben kaum noch Leute, die Unseren sind in Litauen geschlagen worden, tot oder versehrt, viele geflohen. Wir sind… « Er schaute sich kurz um und flüsterte: »… schutzlos.«
Es war die pure Heuchelei. Die Männer dieses Stammes sind sehr schön, darum verdrehten sie den Mädchen des Ortes die Köpfe, und die Studenten gingen leer aus. Das gab böses Blut, und sie wollten das Ärgernis beseitigen.
Ich gab ihm zur Antwort: »Herr Professor, unsere Mission ist kulturpolitisch, nicht militärisch, bei allem Respekt. Entschuldigen Sie mich bitte für ein paar Minuten...«
Anderntags brachen wir noch bei Dunkelheit auf und ritten in scharfem Tempo zu besagtem Dorf, um die Bewohner zu warnen.
Die Dorpater hatte ich mir somit zu Feinden gemacht.

Tag 31: Was sind deine nächsten Ziele, und welche Schritte stehen dir als Nächstes bevor?

  #charactersofoctober #desschreiberswildeträume Fido: Mein Ziel ist es, den Kurs der Annäherung von Menschen und Thieren weiter zu verfo...