Mittwoch, 1. November 2023

Tag 26: Welche Regierungsform ist aus deiner Sicht die Beste und warum?

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Hieronymus: Wie ich sie nennen sollte, muss ich überlegen; jedenfalls meine ich, dass die Kräfte in der Gesellschaft balanciert sein sollten, so dass keiner übermütig werden kann, weil ihn seine politischen Ambitionen zu Kopfe steigen. Ein Beispiel: Die Herrschaft der Schweden in Estland, sag ich, und warum? Sie sind kriegsmüde, darum richten sie alles so ein, dass möglichst Abkünfte zu allseitiger Zufriedenheit die Verhältnisse sichern. Die Handwerksgilden, welche regelmäßig im Rathaus tagen und auch ihre Stadthäuser haben, sind beinahe so mächtig wie der schwedische Gouverneur. Der Herr Oxenstierna ist ein milder Herr, und er regieret nicht fern vom Volke oben auf dem Schloss auf dem Domberg, sondern er hat seine Amtsgeschäfte ins Rathaus verlegt, wo er täglich Debatten mit den Ratsherren hat. Und jede Fischfrau kann ihm vortragen, man habe sie bei Verteilung der Marktplätze durch den Rat übervorteilt. Manche maulen, sie würden sich in diesen Abstimmungen verzetteln, wann den ein klares Machtwort käme? Der Gouverneur jedoch bestehet darauf, dass seine Handlungsfreiheit eben in einer allseitigen Zustimmung bestünde, welche er durch Harmonisierung zu erlangen trachte.

Hier kann nicht einfach mit Befehlen regiert werden, wie es die Russen so gern haben. Und wenn es sie selber den Kopf kostet, so ist ihnen das wohl lieber, als dass er durch Wahlfreiheit verwirrt würde. Wollte Gott, sie blieben für immer außerhalb unserer Grenzen.

Tag 25: Wie stehst du zur Macht?

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Fido: Nichts kann so leicht zerbrechen wie weltliche Macht. Je härter sie verteidigt werden muss, umso verhängnisvoll kann ein kleiner Fehler sein. Da war einer der beste Fechter weit und breit und ließ seinem Gegner ganz nah herankommen, lachte ihm seine Siegesgewissheit ins Gesicht, fast Nase an Nase, während sich ihre Degen zitternd gegeneinander stemmten, doch was vergaß er? Die rasiermesserscharfen Zähne der Thiere.

Tag 24: Welchen Sinnspruch kannst du nicht ausstehen?

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Hieronymus: »Spare in der Zeit, dann hast du in der Not.« Hört sich logisch an. Aber wie viele Male habe ich mitangesehen, wie ruinierte Hausväter sich die Haare rauften, weil marodierende Söldner ihre Wohnung durchsucht und ihr Gold gestohlen hatten; wie die Höfe ihrer Vorräte beraubt wurden und man aus Saatgut Brot gebacken hat. Ja, als ausgehungerter Fußsoldat habe ich fleißig von solchem Brote gegessen. Aber wie oft auch fand ich Hilfe just in dem Augenblick, da ich sie am nötigsten hatte. »Sammelt euch keine Schätze auf Erden, denn die fressen nur die Motten und der Rost« heißt es in den Sprüchen Salomonis. Und so leben auch meine Thiere. Sie vertrauen dem Universum, und es enttäuschet sie nicht.

Tag 23: Welche historische Person bewunderst du und wofür?

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Fido: Meine historische Gestalt ist eine des Geistes. Es sind nicht die großen Haudegen der Geschichte. Es ist Friedrich Reinhold Kreutzwald (1803--1884).
Er war der Mann, der den Esten die kulturelle Grundlage schuf, um ein Gefühl ihrer eigenen Kultur und Sprache zu fördern.
Hieronymus: Ich kann nicht anders, als mich Fidos Wahl anschließen. Estland war Schweden unterthan von 1561 bis1710, dann fiel es der russischen Herrschaft anheim, und man trauerte der »guten Schwedenzeit« nach.

Gut 100 Jahre danach aber fand im Zeitalter der Aufklärung die Befreiung der baltischen Leibeigenen 1816-19 statt. Nun sammelte und übersetzte Kreutzwald die im Geheimen weiter verwendeten Zaubersprüche, Segnungen und Epen in schriftlicher Form, nachdem sie mündlich tradieret wurden, teils unter Androhung von Kirchenstrafe.

Meine Autorin liest im Folgenden einen Text aus der Kreutzwald-Sammlung, eine einschmeichelnde Bezauberung an die Schlange, damit sie den Wanderer in Moor und Heide nicht beißet.
Fido: Ich pflegte diesen Zauber beim Betreten sonniger Moorfläche aufzusagen, seit ich ein Kind war.


https://www.youtube.com/watch?v=LVt5WdtfLnw

Tag 22: Welche Symbole würdest du für dein Wappen wählen?

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Hieronymus: Ein offenes Buch mit einer Feder und einem Pfeil für meinen zweiten Namen »Sebastian«, gerahmt von einem Greif, welcher für die Zunft der Drucker und Schreiber steht, sowie eine Sphinx, welche die Geheimnisse hütet, denn ich bin ein Sekretär. Oberhalb in Blau/Gold mit goldenem Mast eine entflammte Fahne, die meinen Nachnamen »Lohebrannt« darstellt. Dazu ein Schwan, der für meine Heimatstadt Aachen steht. 


Auf dem Buch erscheint in blauer Tinte das Motto »DI DOMAN’ NON C’È CERTEZZA«, »Über das Morgen gibt es keine Sicherheit« aus dem Gedicht von Lorenzo di Medici. Das Schild ist links schwarz mit weißem Rahmen für den Deutschen Ritterorden, rechts Gold mit blauem Rahmen für Schweden.
 

Fido: >Mein Wappen zeigt Hellebarde und Bogen und Pfeile, darüber schwimmt ein silberner Delphin, der für meinen Namen »del Mare« steht. Auf der linken Seite ein roter Hirsch, der den Namen »Sylvester«, »Waldmann« symbolisiert. Rechts streckt sich ein bunter Hund, der das Zeichen des »Fidelis« ist. Die blauen Felder mit goldenem Rahmen stehen für Schweden, die schwarzen mit weißem Rahmen für den deutschen Ritterorden.

Tag 21: Was wünschst du deinem besten Freund?

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Hieronymus: Mein bester Freund ist Fidos Vater.
Fidos Vater ist just einer gesundheitlichen Krise entkommen. Die Thiere, sagt man, leben ja nicht lange; und so fiel auch er in dieses heftige Fieber, als er 45 Jahre alt war. Wir brachten ihn so schnell wir konnten ins Kloster nach Petschory. Dort wurde er in einer kühlen Höhle zu Bett gelegt und ruht dort in einem Zustand, den die Mönche hier das »heilige Koma« nennen. Man hört keinen Herzschlag und spürt keinen Atem. Es heißt, dass viele hier überleben, da die Mönche vielerlei Arzneyen kennen. 

Die schreckhaften Thiere sind nicht recht fähig, diese Krise geduldig abzuwarten. Es hat mich allerlei Überredung gekostet, meinen Fido zu beruhigen. So bete ich für zwei, für meinen lieben Haigur, dem ich verdanke, dass er mich von dummen Hemmungen befreit hat, die meiner Liebe zu Fido im Weg waren. Und ich wünsche meinem Fido, dass sein Vater vom Krankenlager aufstehen und noch die Jahre leben wird, die das Geschick meinen Thieren schenken mag.


 

Tag 20: Was würdest du mit 1 Million Euro machen?

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Hieronymus:
Was wäre der Gegenwert zu meiner Zeit gewesen? Heute bekommt man dafür ein großes Haus für mindestens zwei Familien. Ich würde also eine Stiftung gründen, die besonders schwer betroffenen Frauen mit Kindern eine Unterkunft und Speisung bietet. Sie wären sicher schon für ein kleineres Zimmer dankbar. Ich sah, dass man für diese 1 Million 500.000 einfache Brote würde kaufen können.
Alles Leid wird man nicht damit lindern können, aber vielleicht auch andere anregen, mildtätig zu sein.


Tag 19: Was bedeutet dir Treue? Bist du selbst treu?

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Hieronymus: Eine fabelhafte Gelegenheit, um Klischees zu schreiben oder über Treue nachzudenken. 
Fido: Nicht wahr? 
Hieronymus: Jetzt guck nicht so komisch. Ich weiß, dass du treu bist. 
Fido: Ich muss immer lachen, wenn Leute sagen, sie würden sich selbst treu bleiben. Was denkst du? 
Hieronymus: Nichts ist so beständig wie der Wandel. Sich zu verändern heißt, sich treu zu bleiben. 
Fido: Das, mein Freund, bewundere ich so an dir, dass du der inneren Notwendigkeit folgst.




Tag 31: Was sind deine nächsten Ziele, und welche Schritte stehen dir als Nächstes bevor?

  #charactersofoctober #desschreiberswildeträume Fido: Mein Ziel ist es, den Kurs der Annäherung von Menschen und Thieren weiter zu verfo...