Homsarecs Band 2
Tanguta ist der Doge von Sukent, und die Homsarecs haben eine Nacht lang gegen die "Rotten" Krieg geführt. Sie beißen sich gegenseitig, um sich in Joy de Guerre zu bringen, in den kriegerischen Rausch; das nennen sie den "Kriegerkuß".Der Kamerad des Dogen, der hier in der Ich-Form erzählt, ist Isatai.
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Die Leistung, die Pitro in dieser Nacht erbrachte,
die Koordination der Kampfgruppen und die Voraussicht von kommenden Gefahren,
war überirdisch. Das alles tat er mit Hilfe seines visuellen Gedächtnisses. Und
weil er so tief im Kreis ist wie jeder von uns. Er hörte alle unsere Meldungen
und schickte die Gruppen hierhin und dorthin. Ich staunte. Der Mann ist ein
Genie. Ein böses Genie, aber ein Genie.
Nun ging es aber erst einmal mit den Abgeordneten,
die wir sämtlich aus ihren Wohnungen geholt hatten, zum Sitzungssaal. Wir
wollten noch in dieser Nacht einen Beschluß erwirken, der das neue Gesetz über
die Dogenwahl wieder außer Kraft setzte.
Ich hatte ein verlorenes Nachtsichtgerät gefunden
und sah mir unsere Krieger dadurch an. Tatsächlich. Eine psychedelische
Light-Show, aber kein zieltechnisch erfaßbares Bild. In den Minuten nach dem
Tod Tarfurs hatte ich Tanguta nicht mehr aus den Augen gelassen. Ich befürchtete
Racheakte. Ich blieb den Rest der Nacht sein Bodyguard. Ich merkte erst
später, daß ich mehrere Streifschüsse, viele Abschürfungen, Prellungen und, beim
Einschlagen eines Fensters, einige Glassplitter kassiert hatte.
Ich ließ mich auf der Gasse von einem ambulanten
Sanitäter verarzten, desinfizieren und mit ein paar Pflastern bekleben. Ich
war schwarz und rot beschmiert wie ein Teufel. Gut, daß mich niemand sah, der
mir bislang vertraute. Ich war erschöpft, aber ich ließ es mir nicht nehmen,
mit in die Sala de Thing zu kommen. Tanguta sah ähnlich aus wie ich. Im Nebenraum
des Sitzungssaals, in der Garderobe, gab es eine Dusche, dort duschten wir
gemeinsam, um Zeit zu sparen. Die Kriegsbemalung — oder was davon übrig war —
strömte schwarzrot über den gekachelten Boden. Ich leckte seinen Streifschuß
und sein Ohr. Er leckte die Bisse an meiner Wange, die ich ihm verdankte. Und
mir wäre fast lieber gewesen, ich hätte Narben behalten. Ich küßte ihn. Mir
platzte fast das Herz vor Liebe zu ihm. Wir waren beide steif, das bringt Joy
de Guerre oft mit sich.
Und da sah ich das Lächeln meines Vaters, wenn er
nach Kämpfen wieder zu Hause war. Wie er uns alle anschnauzte, wenn er noch
‚drauf‘ war. Wir wußten schon, daß er es nicht so meinte. Und wie er lachte,
wenn Mama ihn auffing, auch sie noch berauscht, es war dasselbe Lächeln, das er
auf dem Gesicht hatte, als er starb. Und er hatte diese feinen Strichnarben am
Arm, Kerben für getötete Feinde.
Die Erinnerung überwältigte mich, und ich fand
mich weinend an die gekachelte Wand gelehnt, als Tanguta das Wasser zudrehte.
„Ein Hypermem“, sagte ich entschuldigend.
„Das gibt es oft nach dem Kampf“, antwortete er.
„Gut, daß das jetzt passiert“, setzte ich hinzu, „und
nicht mitten im Kampf…“
„Es kann nicht passieren, wenn du mitten im Kampf
bist“, erklärte er.
„Du kennst das?“
„Ja, klar.“
Wir nahmen uns Lendentücher aus dem Schrank,
dunkelblaue für städtische Serfs, mit dem Aufdruck „proprietà Ducale di
Sukent“, wir kicherten beide über diesen Einfall wie die kleinen Schuljungen, und
niemals war uns ein Gewand passender erschienen.
Dann gingen wir in den Sitzungssaal. Tanguta wurde
von den Amazonen mit schrillen Jubelrufen empfangen. Ein wenig mochten sie
auch mir gelten, kann sein.